Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
wecken, nur um dieses Geräusch nicht mehr ertragen zu müssen, ließ es aber dann doch jedes Mal aus Angst vor weiteren Mückenstichen bleiben.
Über eine Woche waren wir jetzt schon unterwegs seit wir Hornhus verlassen hatten und die Reise hatte bei den Hürnin Spuren hinterlassen. Erich merkte es vor allem daran, dass es ihn nicht mehr so störte, wie der Halken roch, weil er selbst genauso stank. Außerdem hatte sich alles irgendwie verändert. Ihre Kleidung hatte eine andere Farbe bekommen, ihre Haut war von kleinen Kratzern, Stichen und blauen Flecken übersät und ihre Haare begannen sich immer mehr zu einer Haube aus fettigen Strähnen zu verdichten. Abgesehen vom Halken hatten sie sich alle noch einmal gründlich im See gewaschen, aber nach zwei Tagen machte das schon keinen Unterschied mehr. Lediglich Sirr sah immer noch aus, wie aus dem Ei gepellt. Erich bildete sich sogar ein, dass sie etwas weniger blass wirkte.
Wir folgten der Straße einen weiteren Tag lang, bevor wir auf die Kreuzung stießen, von der Sirr gesprochen hatte und auf ihr unser Nachtlager aufschlugen. Auch wenn den Hürnin die Straße nicht ganz geheuer war, wurde ihre Stimmung von der Tatsache gehoben, dass sie gut vorankamen und bis jetzt auf keinerlei Hindernisse gestoßen waren.
Doch in dem Moment, als sie den Kreuzungspunkt der beiden Straßen betraten, ging eine seltsame Verwandlung mit Sirr vor sich. Zuerst bemerkte ich es kaum, aber dann sah ich ganz deutlich, dass ihre Iris heller wurde, bis ihre Augen beinahe komplett weiß waren. Darüber hinaus legte sie ein Verhalten an den Tag, das man bei jedem außer ihr als entspannt bezeichnen könnte aber das an Sirr vollkommen deplatziert wirkte. Als sie ihr Nachtlager vorbereiteten, war sie so zugänglich, dass Sarn sich sogar dazu durchringen konnte wieder mit ihr zu sprechen.
„Was ist mit deinen Augen?“, fragte er vorsichtig. „Sie sind heller geworden, wie mir scheint.“
Sirr lachte und zum ersten Mal seit wir sie kannten, war es ein fröhliches Lachen, das nicht nur dadurch zustande kam, dass sie die Position ihrer Mundwinkel veränderte.
„Sie reagieren auf die Straße, die nach Westen in den See führt. Dort, wo ich herkomme, nannte man sie auch die Straße des Seelenfriedens.“
„ Du bist nicht weit von hier ausgesetzt worden, nicht wahr? Du scheinst dich hier gut auszukennen. Wo stand deine Wiege?“
Die Elfe antwortete lange nicht auf diese Frage und Erich war schon der Überzeugung, dass sie Sarn einfach wie üblich ignorieren würde. Aber dann begann sie zu erzählen: „Im Nordosten gibt es einen toten Wald, in dem ein Stamm von Elfen lebt, der sich selbst die 'Asche' nennt, nach der Vulkanasche, die vor vielen Jahrzehnten den Wald abgetötet hat und nun die ganze Gegend bedeckt. Sie leben in kleinen Familien an den Flanken des Vulkans und versuchen den Geist zu besänftigen, der im Berg haust. Schon meine Eltern sind von dort gekommen und so haben sie auch mich nach meiner Geburt dort hin gebracht.“ Sie verstummte kurz und fuhr dann mit leiser, bitterer Stimme fort. „Es sind erbarmungslose Leute, die ebenso sehr vom Berg beherrscht werden, wie sie dessen Feuer beherrschen. Sie sagen der Berg ist die Quelle des Himmels und der Erde, weil aus seinem Schlot Wolken und flüssiges Gestein hervorquellen. Seine Ausdünstungen nennen sie Fluss des Himmels, denn es sind keine normalen Wolken, die von dort aus über den Himmel ziehen. Sie formen sich zu einem Fluss, den man, wenn der Wind günstig steht, an manchen Tagen auch in Hornhus sehen kann. Aber es gibt wenige, die ihm dort Beachtung schenken. Und noch weniger, die um seine Bedeutung wissen.“ Erneut machte sie eine kurze Pause. „Als Findelkind war ich von Beginn an dazu bestimmt eines Tages dem Geist des Berges geopfert zu werden. Ich hatte kein schlechtes Gewissen, anders als so viele andere Hürnin, nachdem sie erwachen und feststellen, dass sie jemanden umgebracht haben. Im Gegenteil: Ich blieb so lange wie ich konnte und tötete so viele wie ich töten konnte. Ich lasse mich von niemandem opfern!“
Diese drastischen Worte zeigten Wirkung bei den anderen, aber Sirr kümmerte sich nicht darum. Es war ihr offensichtlich egal, was die anderen von ihr dachten.
„ Ich tötete meine Zieheltern und die ganze Familie und verbreitete dann Angst und Schrecken in einem der Dörfer. Ich habe sogar versucht den Geist im Berg zu wecken, aber dafür waren meine Kräfte nicht stark genug.“
„ Lebt
Weitere Kostenlose Bücher