Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
könnte tatsächlich gehen!«
» Was könnte tatsächlich gehen?«, fragte Andrej ungeduldig.
»Einen Tee daraus zuzubereiten«, antwortete Abu Dun. »Das Zeug schmeckt auf die Dauer doch ein wenig eintönig, weißt du? Aber als Tee könnte man es sicher verfeinern … oder vielleicht kann man es ja trocknen und unter das Mehl mischen, um Brot daraus zu backen oder auch kleine Plätzchen.«
Andrej musste sich nun wirklich beherrschen, um nicht auf eine Weise zu antworten, die nicht einmal mehr Abu Dun witzig finden würde, aber trotz seines Zorns wuchs auch seine Sorge. Er hatte nie endgültig entscheiden können, was nun schwärzer war-Abu Duns Gesicht oder sein Sinn für Humor-, aber das war nicht einmal mehr albern, sondern einfach nur noch dumm. Murida verzog leicht angewidert die Lippen, als Abu Dun nun genüsslich seine Finger ableckte und dann noch genüsslicher rülpste.
Andrej ließ sein Pferd ein wenig schneller ausgreifen und registrierte mit unverhohlener Schadenfreude, wie Abu Dun es ihm gleichzutun versuchte und sein bedauernswertes Pferd einen überraschten Schritt seitwärts machte, um nicht unter seinem enormen Gewicht zusammenzubrechen.
»Ich hoffe, es ist wirklich nicht allzu weit«, knurrte der Nubier.
»Vielleicht hättest du doch besser nach einem Nilpferd Ausschau halten sollen«, stichelte Andrej.
Abu Dun zog eine Grimasse. »Und ich dachte, wir sind hier indem Land, indem die besten Pferde der Welt gezüchtet werden.«
»Du hast dich im Kontinent vertan, schwarzer Mann«, sagte Murida. »Elefanten gibt es in Indien, wenn du ein passendes Reittier suchst.«
Abu Dun rutschte in dem viel zu kleinen Sattel in eine halbwegs bequeme Stellung, woraufhin das Pferd protestierend wieherte, und bedachte sie mit einem lauernden Blick. Andrej sah ihm an, dass er zu einer weiteren patzigen Antwort ansetzte, doch Murida beendete den albernen Streit, indem sie ihr Pferd zu einem kurzen Zwischenspurt zwang, den sie jedoch wieder abbrach, noch bevor aus Andrejs Überraschung wirklich Misstrauen werden konnte.
Als Abu Dun und er rasch zu ihr aufschlossen, bemerkte er, wie sich hinter ihnen, eine Handbreit tief in der Dunkelheit verborgen, etwas bewegte. Andrej hatte es ein paarmal ganz dem Pferd überlassen, seinen Weg zu finden, und sich mit all seinen Sinnen darauf konzentriert, diese unbekannte Präsenz zu erkunden, aber es war ihm nicht gelungen. Da war etwas, ganz unzweifelhaft, aber es war, als versuchte er Nebel zu greifen. Nebel, der dichter wurde. »Wohin reiten wir?«, fragte Abu Dun nach einer Weile. Er musste es genauso gut wissen wie Andrej, aber vielleicht hielt er ja die Stille einfach nicht mehr aus. »Es ist nicht mehr weit.« Murida deutete nach vorne, auf den größten der drei gewaltigen dreieckigen Schatten, die den Sternenhimmel vor ihnen verdeckten. »Aber jetzt sei still! Wir sind vielleicht nicht allein.« Andrej hätte ihr sagen können, dass sie das sehr wohl waren, und zwar in weitem Umkreis, hob aber als Antwort nur die Schultern. Vielleicht war es besser, doch noch das eine oder andere kleine Geheimnis für sich zu behalten, vor allem jetzt, wo Murida offenbar die Seiten gewechselt hatte. Er lenkte sein Pferd dichter neben das Muridas, sodass sich ihre Oberschenkel fast berührten. »Würdest du mir ein Geheimnis verraten?«, fragte er.
Murida maß ihn mit einem spöttischen Blick. »Aber wenn ich das täte, dann wäre es doch keines mehr, oder?«
»Wann hast du die Seiten gewechselt?«, fragte Andrej.
»Und wer sagt dir denn, dass ich das überhaupt getan habe?«, gab Murida zurück. Ihre Augen glitzerten spöttisch.
»So lange gibt es den Machdi noch gar nicht«, antwortete Andrej ernst. »Oder hast du schon zu seinen Anhängern gehört, bevor er selbst gewusst hat, dass Allah ihn ausgesucht hat, um den Menschen das ewige Heil zu bringen?«
Murida ignorierte seinen Sarkasmus. »Vielleicht wäre mir jeder recht gewesen, der nicht auf Süleymans Seite steht«, sagte sie. »Ihr habt diesen Mann erlebt, Andrej.«
»Dann hättest du dich jedem angeschlossen, der gegen den Sultan ist?«
»Wer weiß?«, erwiderte Murida erstaunlich offen.
»Vielleicht wäre jeder Dummkopf besser gewesen als Sultan Süleyman der Zweite.« Sie lachte, ganz leise. »Was für ein Glück, dass der Machdi kein Dummkopf ist, nicht wahr?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Andrej. »Ich bin ihm nie begegnet. Du?«
Murida schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe ihn ein oder zweimal gesehen,
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