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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aber nur von Weitem, und ich bin ihm nie nahe genug gekommen, um mit ihm zu reden oder ihm in die Augen zu blicken.«
    »Und trotzdem bist du bereit, dein Leben für ihn zu riskieren? Einen Mann, den du noch nicht einmal wirklich gesehen hast?«
    »Und zu opfern, wenn es sein muss«, bestätigte Murida.
    Ihre Augen leuchteten. »Ich weiß, was du jetzt sagen willst, Andrej, und noch vor zwei Jahren hätte ich dasselbe gesagt. Aber du wirst deine Meinung ändern, sobald du dem Machdi begegnet bist, glaub mir!«
    »Weil er so überzeugend ist?«
    »Das muss er nicht sein«, behauptete Murida inbrünstig.
    »Schon aus der Ferne spürt man die Weisheit dieses Mannes, und die, die das Glück haben, ihm direkt zu begegnen, berichten von seiner Aufrichtigkeit und seiner Güte. Es ist nicht seine Art, einen Mann oder eine Frau zu irgendetwas zu überreden oder sie gar zu etwas zu zwingen, was sie nicht wollen!«
    »Wenn man dich so hört, dann könnte man meinen, der Prophet selbst wäre wiedergeboren worden«, antwortete Andrej spöttisch.
    »Manche glauben das tatsächlich«, erwiderte Murida ernst.
    »Und du?«
    Andrej spürte, dass ersieh auf dünnem Eis bewegte, doch Muridas Lächeln änderte sich nicht, und auch ihre Stimme blieb ruhig. »Nein«, sagte sie. »Warum auch? Der Machdi ist kein Prediger, Andrej. Er behauptet nicht, im Namen Allahs zu sprechen, und gewiss will er keinen neuen Koran schreiben oder gar eine neue Religion gründen. Er spricht den Menschen aus dem Herzen, das ist sein Geheimnis. Er verspricht ihnen nichts, und er verlangt nichts von ihnen.
    Vielleicht lieben die Menschen ihn deshalb so sehr.«
    »Ja, das habe ich gestern gesehen«, mischte sich Abu Dun ein. »Wie viele Männer habt ihr verloren?
    Zweihundert?«
    »Und noch mehr werden sterben, bevor unser Kampf vorüber ist. Manchmal muss die Freiheit mit Blut erkauft werden. Selbst mit dem Unschuldiger.«
    »Sind das die Worte des Machdi?«, fragte Andrej.
    »Es sind meine Worte«, erwiderte Murida, plötzlich heftig.
    »Hörst du mir nicht zu, Andrej, oder haben Süleymans Worte schon deine Seele vergiftet? Es ist nicht der Krieg des Machdi! Er ist ein Mann des Friedens, dem ein Menschenleben mehr gilt als alle Reichtümer der Welt! Er würde niemals zum Krieg aufrufen! Es sind die Menschen, die sich gegen die Tyrannei des Sultans auflehnen, nicht er.
    Ergibt uns nur die Kraft, diesen Kampf zu kämpfen. Und zu gewinnen.«
    »Ach ja?«, erkundigte sich Abu Dun und schob sich eine weitere Handvoll fleischiger grüner Blätter in den Mund.
    »Wie?«
    »Nicht so«, antwortete Murida feindselig, ließ ihr Pferd ein paar weit ausgreifende Schritte machen und fiel erst in gehörigem Abstand wieder in ihr vorheriges Tempo zurück.
    »Das war deutlich«, sagte Andrej.
    »Das war vor allem ziemlich wirres Zeug«, fügte Abu Dun hinzu, klaubte ein weiteres Blatt unter seinem Mantel hervor und drehte es nachdenklich vor dem Gesicht hin und her.
    »Ergibt ihnen die Kraft, ihren Kampf zu kämpfen. Ja, das klingt gut. Solange man genug von diesem Zeug hat, nicht wahr?«
    Andrei sagte nichts. Abu Dun hatte natürlich vollkommen recht: Muridas Worte klangen wirr, wie die einer Fanatikerin, die viel zu indoktriniert war, um noch klar denken zu können, aber da war auch noch mehr. Er wurde einfach nicht schlau aus diesem Mädchen.

Kapitel 21
    Den Rest des Weges legten sie schweigend zurück. Er hatte ganz instinktiv vorausgesetzt, dass ihr Ziel die Pyramiden waren, doch ein gutes Stück davor schwenkte Murida nach rechts, näherte sich wieder dem Fluss und stieg schließlich aus dem Sattel und bedeutete ihnen mit einer wortlosen Geste, ihr zu folgen. Wieder spürte Andrej, wie sich die Dunkelheit hinter ihnen bewegte, doch er sah sich nicht um.
    »Wohin bringst du uns, schönes Kind?«, erkundigte sich Abu Dun.
    Murida würdigte ihn nicht einmal einer Antwort, sondern eilte nur so rasch voraus, dass sie fast schon Mühe hatten, nicht zurückzufallen. Der Boden war hier nicht steinig, wie im übrigen Teil der Wüste, die den schmalen grünen Streifen am Ufer des Nils seit Menschengedenken bestürmte, sondern von fast staubfeinem Sand bedeckt, in dem sie bei jedem Schritt bis an die Knöchel einsanken. Wind kam auf und blies ihnen feinen Sand ins Gesicht. Und da waren noch andere Dinge, die sich im Schutz dieser staubfarbenen Schwaden bewegten und sie belauerten. »Wohin bringst du uns, o du holde Rose des Orients?«, fragte Abu Dun noch einmal und in einem Ton,

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