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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stieß ihn nur abermals von sich, und dieses Mal hart genug, um ihn wirklich das Gleichgewicht verlieren und auf den Rücken fallen zu lassen. Als er sich aufrappelte, hatte Abu Dun bereits den Großteil des Saftes in Muridas Mund geträufelt und machte sich gerade daran, ihr auch den zerquetschten Brei zwischen die Zähne zu drücken.
    Andrej rappelte sich abermals auf, wollte sich wieder auf Abu Dun stürzen, hielt dann jedoch jäh inne, denn Murida erwachte mit einen qualvollen Keuchen aus ihrer Ohnmacht und versuchte auch Abu Duns Hand wegzuschieben.
    Vermutlich bereitete ihr seine grobe Behandlung Schmerzen. Sie hustete und rang krampfhaft nach Atem … aber sie versuchte zu Andrejs Entsetzen nicht einmal, den Pflanzenbrei auszuspucken, sondern zwang sich ganz im Gegenteil, ihn hinunterzuschlucken.
    »Was hast du getan?«, rief Andrej noch einmal. Als ob er das nicht wüsste!
    »Das, was eigentlich deine Aufgabe gewesen wäre!«, fauchte der Nubier. Als Murida erneut seine Hand wegschieben wollte, schlug Abu Dun ihren Arm so grob zur Seite, dass Andrej einen kurzen Stich reiner Wut empfand.
    »Halt sie fest!«, befahl er. »Es sei denn, du willst, dass ich ihr noch mehr wehtue.«
    Rasch griff Andrej nach Muridas Handgelenken und drückte ihre Arme mit gerade genügend Kraft auf den Boden, um sie niederzuhalten, ohne sie zu verletzen. Es würde sie umbringen, dachte er voller Angst, genau so zuverlässig wie ein Dolch, nur langsamer und unendlich qualvoller. Dennoch widersprach er nicht, sondern hielt Muridas Hände nur noch fester und versuchte zugleich auf einem anderen Weg, wenigstens ihren schlimmsten Schmerz zu lindern. Mit Sinnen, die außer Abu Dun und ihm nur sehr wenigen anderen zur Verfügung standen, tastete er nach der Quelle ihrer Pein und versuchte sie zu isolieren, als würde er die Hitze einer glühenden Kohle mit der Hand abschirmen, machte ihren Schmerz zu seinem eigenen, und ihr rasender Herzschlag beruhigte sich zusehends. Aber da war auch noch etwas anderes, eine zweite, fremde Kraft. Schnell und lautlos breitete sie sich in ihrer Seele aus wie eine Wolke aus schwarzer Tinte in klarem Wasser und trübte sie. Was er in Abu Dun nur geahnt hatte, das spürte er in Murida so deutlich, als läse er es auf den Seiten eines aufgeschlagenen Buches: Das Kat mochte ihr Kraft geben, aber es pflanzte auch den Keim des Todes in ihre Seele. Endlich hörte Murida auf, sich mit aller Gewalt gegen seinen Griff zu stemmen. Ihr Blick klärte sich, und das erste Mal seit endlosen Minuten schien sie ihn wieder zu erkennen. Aber was er in ihren Augen las, das erschreckte ihn beinahe noch mehr als die Dunkelheit, die er gerade in ihr gespürt hatte. Da war eine Wildheit, beinahe unmenschlich. Erschrocken ließ er sie los und sprang auf. »Was hast du getan?«, fuhr er Abu Dun zornig an. »Hast du jetzt völlig den Verstand verloren? Abu Dun maß ihn mit einem langen und ausnahmsweise einmal ernsten Blick von Kopf bis Fuß. »Und?«, fragte er. »Fühlst du dich jetzt besser?«
    »Du weißt, was dieses Teufelszeug anrichtet!«, fuhr Andrej fort, unfähig, die Worte zurückzuhalten, obgleich er selbst wusste, dass sie nichts ausrichten würden. Murida versuchte sich aufzurichten, doch ihre Arme gaben unter dem Gewicht ihres Körpers nach, und sie wäre beinahe gestürzt. Mit einem raschen Schritt war Abu Dun bei ihr, schüttelte aber auch befehlend den Kopf und legte ihr eine seiner gewaltigen Pranken auf die Schulter, als sie ganz aufstehen wollte. Mit der anderen Hand zog er ein weiteres zartgrünes Blatt aus der Manteltasche. Gierig riss Murida es ihm aus den Fingern und hätte es wohl gleich hinuntergeschlungen, hätte Abu Dun ihre Hände nicht festgehalten. »Nicht so hastig«, sagte er. »Sonst wird dir nur übel.«
    Murida signalisierte ihm mit einem fahrigen Nicken, dass sie verstanden hatte und kaute auch anstandshalber zweimal, schluckte das Blatt dann aber sofort hinunter. Abu Dun seufzte nur leise und stand mit knackenden Kniegelenken auf.
    »Wir Süchtigen erkennen eben einander« feixte Abu Dun. Aber seine Augen blieben ernst, und als er weiter sprach, war es seine Stimme auch. »Ich dachte, dass du es weißt … aber Liebe macht wohl tatsächlich blind.« Damit verschwand er in der Dunkelheit. Andrej sah auf Murida hinab. Ganz wie er es schon von Abu Dun kannte, setzte die Wirkung des Kat mit unheimlicher Schnelligkeit ein. Er meinte regelrecht dabei zusehen zu können, wie die Kraft in ihre Glieder

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