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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hatte er sogar das Gefühl, dass die Folgen dieser Einmischung umso katastrophaler wurden, je besser die Absicht gewesen war, die dahintersteckte. Schon vor sehr langer Zeit hatten sie entschieden, ihren eigenen Weg zu gehen und die großen Entscheidungen der Weltgeschichte den Menschen zu überlassen.
    Was sie jetzt taten, war anders, und es würde, dessen war er sich sicher, nicht ohne Folgen bleiben. Es war ihm, als würden sie mit jeder winzigen Welle, die sich klatschend am Rumpf der Dau brach und ihn mit Wasser bespritzte, näher auf das Unheil zugleiten, das auf Abu Dun und ihn wartete. Warum hatte ersieh überhaupt auf diesen Irrsinn eingelassen?
    Ein Schatten legte sich über den niedrigen Bootsrand neben ihm, und als Andrej hochsah, blickte er in ein Gesicht, das die Antwort auf seine Frage war.
    »Darf ich?« Murida blickte fragend auf den Platz neben ihm, wartete seine Erlaubnis nicht ab, sondern ließ sich mit einer anmutigen Bewegung neben ihm nieder- und das so dicht, dass er sich beherrschen musste, um nicht unwillkürlich vor ihr zurückzuweichen. Was Murida keineswegs entging, wie er an dem spöttischen Aufblitzen in ihren Augen erkannte, aber sie tat, als hätte sie nichts bemerkt (und das ganz bewusst so, dass ihm dieses Bemühen nicht entgehen konnte), zog die Knie an und umschlang sie mit den Armen. Für einen kurzen Moment stützte sie das Kinn auf die Knie, dann richtete sie sich wieder auf, legte den Kopf in den Nacken und drehte das Gesicht mit geschlossenen Augen in die Sonne, wie um ihre Wärme zu genießen.
    Andrej, dem der Sinn dieser ebenso naiven wie unbeholfenen Pantomime natürlich klar war, wusste nicht, ob er sich ärgern oder amüsieren sollte. Vielleicht beides.
    Aber sie waren nicht allein, und obwohl sich die Männer ringsum beinahe krampfhaft bemühten, nicht in ihre Richtung zu sehen, konnte er ihre Neugier fast körperlich spüren.
    Statt die junge Frau jedoch zur Ordnung zu rufen, fragte Andrej: »Geht es dir besser?«
    »Jetzt ja«, antwortete Murida, ohne in seine Richtung zu sehen oder die Augen zu öffnen. Ganz im Gegenteil legte sie den Kopf noch weiter in den Nacken, sodass sich ihr Gewand über der Brust spannte, und Andrej reagierte nun tatsächlich auf den Anblick – wenn auch vollkommen anders, als sie vermutlich annahm. »Lass das«, sagte er, leise, aber trotzdem barsch.
    »Was?« Murida nahm zwar eine etwas züchtigere Haltung ein, sah ihn zugleich aber auch auf eine Artan, die klarmachte, dass sie gerade erst anfing. Womit auch immer.
    »Wir sind nicht allein, Mädchen«, antwortete Andrej. »Und du bist mir zu jung.« Natürlich war ihm klar, wie diese Worte auf sie wirken mussten, noch bevor er sie ganz ausgesprochen hatte. Murida sah ihn auch prompt genauso verwirrt an, wie es jede andere in diesem Moment wohl auch getan hätte.
    »Zu jung?«, wiederholte sie schließlich in einem nachdenklichen Ton, den Andrej nur zu gut kannte. Er wusste, was jetzt kam. »Wie alt bist du, Andrej Delany? Fünfundzwanzig? Achtundzwanzig? Keinen Tag älter als dreißig!«
    Damit war sie nicht einmal auf ein Zehntel an die Wahrheit herangekommen, aber das konnte er ihr unmöglich sagen, nicht einmal, wenn sie allein an Bord gewesen wären und nicht von einem Dutzend neugieriger Ohrenpaare umgeben. »Ich habe mich gut gehalten«, sagte er. »Keinen Tag älter als dreißig. Und selbst wenn-allen anderen Männern, die ich kenne, können die Mädchen gar nicht jung genug sein. Ich werde zwanzig, und du siehst mir nicht aus wie ein Mann, der sich in Wahrheit noch immer nach seiner Mutter zurücksehnt und nur behauptet, er würde reifere Frauen bevorzugen. Was also gefällt dir nicht an mir? Bin ich dir nicht hübsch genug? Das hat mir noch keiner gesagt, nebenbei bemerkt.« Es wäre auch gelogen gewesen. Andrej rutschte so weit von ihr weg, wie es auf dem begrenzten Platz im Bug der Dau möglich war, und auch jetzt wieder aus einem ganz anderen Grund, als sie annehmen mochte. Dass er ihre kleine Posse durchschaut hatte, bedeutete nicht, dass sie die beabsichtigte Wirkung verfehlte. Sie war eine wunderschöne junge Frau, und er war ein Mann und schon viel zu lange allein. Beinahe erschrocken verscheuchte er den Gedanken. »Es hat … andere Gründe«, sagte er ausweichend.
    »Andere Gründe?«, wiederholte Murida, sah ihn lange durchdringend an, wandte den Kopf und ließ den Blick über den Fluss gleiten, als erwartete sie von den schmutzigen Wellen die Antwort, die er ihr

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