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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Aber dann hat die Kleine gar keine Chance mehr.«
    Andrej strampelte mit den Beinen und versuchte mit aller Kraft, Abu Duns Griff zu sprengen, aber ebenso gut hätte er versuchen können, eine hundertjährige Eiche mit bloßen Händen aus dem Boden zu reißen. Der Nubier war um so vieles stärker als er, und was immer auch gerade mit ihm geschah, es verlieh ihm noch mehr Kraft. Er bekam keine Luft mehr. Seine Lungen schrien bereits nach Sauerstoff, und erfühlte eine wohlvertraute Schwärze in sich erwachen. Abu Dun hatte ihn gerade fest genug gepackt, um ihm nicht den Kehlkopf zu zerquetschen, aber Andrej zweifelte keine Sekunde lang daran, dass er es tun würde, genau wie alles andere, was er ihm gerade angedroht hatte. Schließlich bedeutete er ihm mit einem kraftlosen Nicken, verstanden zu haben, und Abu Dun ließ ihn los-genauer gesagt, warf er ihn gute fünf oder sechs Schritte weit durch die Luft und war schon wieder über ihm, als sich die blutigen Schleier vor Andrejs Augen lichteten und erden ersten, qualvollen Atemzug nahm.
    »Wie gesagt: Ich hasse melodramatische Abschiedsszenen«, sagte Abu Dun. An seinem Hals pochte eine Ader, und in seinen Augen war ein Ausdruck erschienen, den Andrej nie wieder wirklich vergessen sollte. »Also verschwinde! Jetzt weißt du, wozu ich wirklich fähig bin. Ich zähle darauf, dass du es nicht vergisst, sollten wir uns wiedersehen und ich etwas anderes sein als jetzt.«
    Nach Luft ringend stand Andrej auf. Er schmeckte Blut. Seine Stimme war nur ein Krächzen. »Ich vergesse es nicht«, versprach er.
    Sie umarmten sich, flüchtig und wie zwei Männer, die sich nur für eine kurze Weile verabschieden, um ihren Geschäften nachzugehen. Andrej wollte noch etwas sagen, doch Abu Dun schüttelte nur den Kopf, machte einen halben Schritt zurück und versetzte ihm zugleich einen Stoß, der ihn in die andere Richtung stolpern ließ. »Und jetzt geh!«

Kapitel 33
    Ohne ein weiteres Wort waren sie aufgebrochen, Andrej beladen mit Wasser und genug Lebensmitteln für drei Tage und Murida missmutig und feindselig, aber ohne Widerstand zu leisten. Sharif hatte zu seiner Erleichterung nicht gefragt, was mit Abu Dun war, und Andrej hatte im Gegenzug darauf verzichtet, ihn zu fragen, was er gesagt oder getan hatte, um das Mädchen zum Mitkommen zu bewegen.
    Sie hatten das Lager in östlicher Richtung verlassen und den schmalen Streifen Grün, der den Fluss säumte, rasch durchquert, ohne auf Menschen oder auch nur Anzeichen für deren Anwesenheit zu stoßen, und nach kaum einer halben Stunde begann der Boden unter ihren Füßen steiniger zu werden. Aus Palmen und wucherndem Gestrüpp mit fleischigen Blättern, die ihn auf unangenehme Weise an aufgedunsenes Kat erinnerten, wurden verkrüppelte Kiefern und von der Sonne verbrannte Pinien und dürres Gebüsch, das eher mit Stacheln bewehrtem Draht glich als etwas Lebendigem. Dann betraten sie die Wüste, die auch hier nicht dem Klischee entsprach, an das die meisten bei diesem Wort dachten. Es gab kaum Sand, sondern harten Erdboden von der Farbe rostigen Eisens, der mit Steinen übersät war, manche nicht größer als eine Kinderfaust, andere so groß wie Häuser.
    Und wiederum eine halbe Stunde später meinte er, das ferne Echo von Schüssen, vielleicht Schreien zu hören. Murida blickte nicht einmal auf, was ihn erstaunte – doch wenn er es recht bedachte, dann hatte sie bisher auf rein gar nichts reagiert. Vielleicht hatte sie sich tatsächlich so gut in der Gewalt, vielleicht bildete ersieh den entfernen Schlachtenlärm auch nur ein. Und vielleicht hatte Murida ja auch nur entschieden, ihn mit beharrlichem Schweigen zu bestrafen – wofür auch immer.
    Andrej hatte nicht vergessen, was Sharif ihm heute Morgen über das Mädchen und seine angeblichen Gefühle für ihn verraten hatte, und insgeheim vielleicht sogar gehofft, im Laufe des Tages wenigstens ein paar Steine aus der Mauer zu brechen, die Murida um sich herum errichtet hatte. Doch seine mannigfaltigen Versuche, ein Gespräch in Gang zu bringen, hatten nichts gefruchtet. Während des gesamten Weges hatte sie nur einen einzigen Satz gesagt, am späten Nachmittag, als sie eine Rast eingelegt hatten. Sie hatte eine geraume Weile und mit konzentriertem Gesichtsausdruck in die Richtung zurückgeblickt, aus der sie gekommen waren, und dann gesagt: »Jetzt müssten sie eigentlich alle tot sein, dein Freund eingeschlossen.«
    Daraufhin versuchte er nicht mehr, mit ihr zu reden. Indem er

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