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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Schrecken werden konnte, und Abu Dun entspannte sich wieder. Anstelle von Tod erschien ein breites Grinsen auf seinem Gesicht, und er lachte sogar leise.
    »Nicht im Mindesten«, feixte er. »Aber ich spiele ihn gut, das musst du zugeben. Wer weiß, wozu es noch gut ist.« Er straffte die Schultern, trat wieder einen Schritt zurück und sah sich mit demonstrativer Missbilligung um. »Und jetzt werde ich diesen Zwergen dabei helfen, das Schiff zu beladen, sonst laufen wir auch beim nächsten Sonnenaufgang noch nicht aus.« Erging. Anders als Sharif vor ihm verschwand er nicht in der Menge, ganz einfach, weil er selbst den größten Mann an Deck noch um Haupteslänge überragte. So konnte Andrej ihm nachsehen, bis er das Schiff verlassen hatte -auf seine ganz eigene Art, nämlich indem er einfach auf den fast drei Meter tiefer gelegenen Kai hinabsprang. Auch das gefiel Andrej nicht. In seinem kindischen Vergnügen, mit seiner gewaltigen Kraft zu protzen, unterschied sich Abu Dun nicht von den meisten starken Männern (auch nicht von Sharif, wie Andrej insgeheim mutmaßte), aber es gab da einen kleinen Unterschied: Abu Dun war zehnmal so stark wie ein normaler Mann, und wenn er nicht darauf achtgab, was er tat, dann erntete er nur zu oft Entsetzen und Schrecken anstelle von Ehrfurcht und Erstaunen.
    Viel schlimmer aber fand er Abu Duns Reaktion aufsehe gutmütige Stichelei. Sein Lachen hatte ihn nicht darüber hinweggetäuscht, wie nahe er daran gewesen war, tatsächlich die Beherrschung zu verlieren und sich auf ihn zu stürzen, und das war ebenso neu wie besorgniserregend. Dass der Nubier launisch und zuzeiten so unberechenbar (und gefährlich) wie ein Rhinozeros mit Zahnschmerzen sein konnte, wusste er seit dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten. Aber das eben war … anders gewesen. Abu Dun verlor niemals wirklich die Beherrschung, schon gar nicht ihm gegenüber. Jemand rempelte ihn an-weder absichtlich noch hart-, aber der Mann murmelte trotzdem eine hastige Entschuldigung und entfernte sich mit gesenktem Blick. Auch das gab Andrej zu denken. Abu Dun und er hatten den größten Teil der zurückliegenden Woche in mehr oder weniger luxuriösen Gefängnissen verbracht, aber anscheinend hatte der Rest der Stadt nicht vergessen, dass es sie gab, und ganz offensichtlich eilte ihnen ein gewisser Ruf voraus. Auch was er davon halten sollte, wusste Andrej nicht. Nichts Gutes zweifellos. Die Kapitänskajüte zu finden, erwies sich als nicht annähernd so schwierig, wie sie zu erreichen. Sie befand sich dort, wo nahezu alle Kapitänskajüten auf allen Schiffen aller Zeiten zu finden waren: im Heck. Doch auf dem überfüllten Deck der Elisa herrschte ein solches Gedränge, dass er schon fast Gewalt anwenden musste, um dorthin zu gelangen, obwohl ihm auch jetzt jedermann aus dem Weg ging, so gut er konnte.
    Die Kajüte selbst war eine Überraschung. Das unübersehbare Alter des Schiffes, die Hektik und die zum Teil abenteuerlich anmutenden Gestalten, die er auf Deck sah, hatten ihn eine Art finstere Räuberhöhle erwarten lassen, doch das Gegenteil war der Fall: Die Kabine war erstaunlich groß und musste sich über die ganze Breite des Schiffes erstrecken. Die gesamte Rückwand bestand aus einem großen, sacht nach außen geneigten Fenster aus kostbarem Bleiglas, hinter dem noch das staubige Grau der Dämmerung lag, das tagsüber jedoch für angenehme Helligkeit und ausreichende Belüftung sorgen musste -etwas, das auf Schiffen schon seit jeher ein großes Problem dargestellt hatte. Auch die Einrichtung entsprach eher dem Befehlsstand eines englischen Flottenadmirals als einer Piratenhöhle. Die wenigen Möbel waren von erlesener Qualität und zeugten vom Geschmack ihres Besitzers, und auf dem großen Schreibtisch vordem Fenster stand kein ausgehöhlter Totenschädel, sondern eine Karaffe und dazu passende Gläser aus feinstem geschliffenem Kristall.
    »Ich hoffe, Euer neues Quartier gefällt Euch, Senior Delany.«
    Andrej konnte zwar ein erschrockenes Zusammenzucken unterdrücken, mahnte sich in Gedanken aber- wieder einmal-zu mehr Aufmerksamkeit. Ihm war nicht einmal aufgefallen, dass er nicht allein in der Kajüte war. »Kapitän …« Er musste einen Moment in seinem Gedächtnis graben. »… Fernandes?«
    Die Gestalt, die aus dem Schatten neben der Tür in das trübe Zwielicht trat, nickte knapp und ignorierte Andrejs grüßend ausgestreckte Hand. Beinahe hätte ersieh über diese vermeintliche Unhöflichkeit

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