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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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stimmte eine neue Sure an, und einhundert Soldaten in schwarzen Mänteln und mit gleichfarbigen Turbanen richteten sich auf und beugten dann in einer synchronen raschelnden Bewegung wieder die Häupter gen Mekka. Es war, als würde eine einzige schwarze Woge gegen die Fahrtrichtung des Schiffes das Deck überlaufen. Er verstand den Unterton von Zorn im Abu Duns Stimme nicht, musste aber zugeben, dass es ein wenig befremdlich war, Abu Dun in gleich hundertfacher Ausführung vor sich zu sehen. »Wahrscheinlich haben sie sich alle so verkleidet, um ihre Feinde schon von Weitem einzuschüchtern«, sagte er.
    »Ja.« Abu Duns Gesicht wurde noch finsterer. »Das war witzig.«
    »Nein, war es nicht«, gestand Andrej. »Entschuldige. Ich wollte mich nicht über dich lustig machen.« »Das hast du auch nicht«, log Abu Dun nicht besonders überzeugend. »Aber es gibt jemanden auf diesem Schiff, der besser ein paar wirklich gute Antworten bereithaben sollte, wenn er mir das nächste Mal begegnet.« Der Vorbeter stimmte die nächste Sure an, und alle richteten sich auf und verbeugten sich dann erneut gen Mekka – alle bis auf eine schwarzgekleidete Gestalt in der letzten und ihnen damit am nächsten gelegenen Reihe, die aufstand und sich zu ihnen herumdrehte. Andrej war kein bisschen überrascht, das Gesicht unter dem schwarzen Turban als das Sharifs zu erkennen. Erstaunt war er allenfalls, dass er ihre Worte ganz offensichtlich verstanden hatte. Hatten sie so laut gesprochen?
    »Ich habe kein Problem damit, dir zu antworten, mein Freund«, sagte Sharif. »Vielleicht hast du bisher nur nicht die richtigen Fragen gestellt.«
    »Das Gebet ist noch nicht zu Ende«, sagte Andrej hastig und eigentlich nur, weil es das Erstbeste war, was ihm einfiel, bevor Abu Dun antworten konnte.
    »Dann sollten wir es vielleicht auch nicht länger stören.« Sharif deutete zum Achterdeck hinauf. »Lasst uns dort oben weiterreden.«
    Ereilte die steile Treppe hoch, ohne ihre Antwort abzuwarten, und Andrej machte eine besänftigende Geste in Abu Duns Richtung, bevor sie ihm folgten. Erst oben angekommen, bemerkte er Kapitän Fernandes, der zusammen mit einer Handvoll seiner Männer auf dem Achterdeck stand und dem Abendgebet mit einer fast ebenso finsteren Miene wie der Abu Duns folgte. Er war nicht der Einzige, dem das auffiel. »Missfällt es Euch, Männern beim Beten zuzusehen, Capitan?«, fragte Sharif.
    »Nein«, antwortete Fernandes. »Aber es missfällt mir, wenn mein Schiff zu einer schwimmenden Moschee gemacht wird.«
    Sharif blieb erstaunlich ruhig. »Beten Eure Matrosen nicht, Capitan?«
    »Doch«, antwortete Fernandes, »aber –«
    »Dann solltet Ihr vielleicht zu ihnen gehen und sie auf das nächste Gebet vorbereiten«, unterbrach ihn Sharif, zwar immer noch lächelnd, aber nun in einem leicht schärferen Ton, der weder dem Kapitän noch dem halben Dutzend Matrosen entging, das sich hinter ihm versammelt hatte.
    In Fernandes’ Gesicht arbeitete es, und ganz kurz meinte Andrej zu spüren, wie seine Stimmung zu kippen drohte, aber dann gewann seine Vernunft noch einmal die Oberhand, und er wandte sich mit einem knappen Nicken um und ging, auf dem Fuß gefolgt von seinen Matrosen.
    Sharif sah ihm mit deutlich kühlerem Lächeln nach, trat dann wieder an die Reling heran und sah schweigend auf die betenden Matrosen hinab. Andrej warf Abu Dun einen ebenso verstohlenen wie mahnenden Blick zu. Der Nubier stand so reglos wie eine überlebensgroße Statue da, aber er konnte spüren, wie es hinter dieser Maske brodelte.
    Erst als das Gebet zu Ende war und die Männer aufstanden und sich zu zerstreuen begannen, wandte sich Sharif erneut ihnen zu und nahm ihr unterbrochenes Gespräch wieder auf, als wäre nichts gewesen. »Es gibt einen Grund für diese Verkleidung, mein Freund«, sagte er an Abu Dun gewandt. »Einmal davon abgesehen, dass ich sie recht kleidsam finde und eine schwere Rüstung samt Schild und Helm vielleicht nicht die klügste Wahl für einen wochenlangen Ritt durch die Wüste wäre.« »So?«, fragte Abu Dun. »Jetzt bin ich aber gespannt.« »Du hast nicht wirklich geglaubt, dass ich hundert Männer in schwarze Mäntel stecke, nur um mich über dich lustig zu machen, oder?«, fragte Sharif amüsiert. »Ich meine: Habt ihr euch nie gefragt, wie ich so schnell auf euch aufmerksam geworden bin, kaum dass ihr in Konstantinopel angekommen wart? Wenn du dich bei jemandem beschweren willst, dass er dich nachäfft, dann tu das direkt

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