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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dieselben beiden Männer waren, denen Fernandes zum dritten Mal hintereinander die unappetitliche Aufgabe zugeteilt hatte, seine ehemalige Kapitänskajüte von den Unmengen von Erbrochenem zu reinigen, die Abu Dun über den Fußboden und das Mobiliar verteilt hatte. Die beiden unglückseligen Burschen mussten sich wohl irgendetwas zuschulden haben kommen lassen, um sich den besonderen Unmut ihres Kapitäns zuzuziehen.
    »Reichst du mir einen Schluck Wasser, Hexenmeister?« Abu Duns Stimme klang brüchig, und als Andrej sich vom Anblick des schäumenden Kielwassers hinter dem Fenster losriss, an dem sein Blick schließlich Halt gefunden hatte, sah er Abu Dun wie ein (sehr großes) Häufchen Elend auf der Bettkante hocken, als hätte er seine ganze Kraft gebraucht, um auch nur den Arm nach dem kaum anderthalb Meter entfernten Tisch auszustrecken. Nach all den Jahrhunderten, die erden nubischen Riesen als einen Ausbund an schier unbezähmbarer Energie erlebt hatte, kam Andrej der Gedanke absurd vor, aber Tatsache war, dass Abu Dun die Kraft fehlte, den Wasserkrug zu nehmen. Rasch trat er um den Tisch herum, goss einen Becher des längst warm gewordenen schalen Wassers ein und gab ihn Abu Dun. Der Nubier ergriff ihn mit beiden Händen, stürzte seinen Inhalt mit einem einzigen gierigen Zug herunter und streckte ihn sofort wiederfordernd aus. Seine Hände zitterten, und auf seiner Stirn perlte feiner Schweiß, was nicht an der drückenden Hitze unter Deck lag. Nachdem der zweite Becher geleert war und er auf Andrejs fragenden Blick mit einem angedeuteten Kopfschütteln geantwortet hatte, ließ Abu Dun die Schultern hängen und senkte den Kopf. Den Turban hatte er abgenommen, als wäre ihm sein Gewicht zu viel geworden, und sein Gesicht war schlaff. Dann zog er den Beutel mit Kat aus der Tasche, der nicht mehr annähernd so prall gefüllt war wie an dem Morgen, an dem Sharif ihn ihm gegeben hatte. Andrej runzelte missbilligend die Stirn, als Abu Dun hineingriff und mit bebenden Fingern eines der zarten Blätter nahm.
    Trotzdem schüttelte er fast erschrocken den Kopf, als Abu Dun zögerte und dann sogar dazu ansetzte, das Blatt zurückzulegen. »Nimm es«, sagte er. »Oder besser zwei. Du quälst dich vollkommen sinnlos, Pirat.«
    »Und du untergräbst meine heldenhaften Versuche, mich dieser teuflischen Verlockung zu widersetzen, Hexenmeister«, antwortete Abu Dun in dem vergeblichen Bemühen, spöttisch zu klingen. Trotzdem nahm er das Blatt heraus, starrte es beinahe feindselig an und schob es sich dann mit ebenso unübersehbarem Widerwillen wie mühsam beherrschter Gier zwischen die Zähne und kasteite sich sogar noch einige Augenblicke länger, indem er nicht sofort zu kauen begann, sondern das Blatt nur auf der Zunge liegen ließ.
    »Nimm noch eines«, sagte Andrej. Abu Dun sah ihn leicht empört an – was ihn nicht daran hinderte, seiner Aufforderung Folge zu leisten-, und auch Andrej sagte nichts mehr, sondern reichte ihm nur einen weiteren Becher Wasser, um das zweite Blatt hinunterzuspülen- und alle, die noch folgen mochten. Er sah keinen Sinn darin, ein Gespräch zum vierten Mal zu führen, das auch zuvor schon immer gleich geendet hatte. Inzwischen war es schon beinahe zu einem Zeremoniell zwischen ihnen geworden: Abu Dun zögerte wider besseres Wissen, sein Kat zu nehmen, und Andrej drängte ihn wider noch besseres Wissen, es doch zu tun. Dabei gab es einen Teil in Andrej, der die Willensstärke des Nubiers fast bewunderte. Er war nicht sicher, ob er selbst den Mut aufgebracht hätte, die Übelkeit und Krämpfe und Schmerzen immer wieder auf sich zu nehmen, nur um am Ende doch wieder zu kapitulieren.
    »Dieses verdammte Zeug bringt mich um«, sagte Abu Dun – und schob sich ein drittes und viertes Kat-Blatt zwischen die Zähne.
    »Ich habe die Hoffnung schon vor dreihundert Jahren aufgegeben, dass irgendetwas dichumbringen könnte.«
    Andrej zwang sich zu einem Lächeln, aber Abu Duns Blick wurde nur noch finsterer, und im Gegensatz zu Andrejs war seine Miene nicht geschauspielert. »Vielleicht geht dein Wunsch ja jetzt bald in Erfüllung«, sagte er.
    »Unsinn!«, widersprach Andrej. »Wir finden diesen selbst ernannten Propheten, und ich bin sicher, dass er mir verrät, wie man die Sucht überwindet.« Seine Hand strich über den Schwertgriff. »Ich habe ein paar Argumente, denen er sich bestimmt nicht verschließen wird.«
    »Wenn wir ihn finden«, antwortete Abu Dun. »Und wenn es ihn überhaupt

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