Die Chronik des Eisernen Druiden 1: Die Hetzjagd (German Edition)
deinen unheimlichen Gehirnwäschetrick bei meinem Nachbarn auf der anderen Straßenseite durch. Er ist der Grund für unser Polizeiproblem.«
Leif bewegte sich mit der maximalen ihm zu Gebote stehenden Geschwindigkeit. Er wusste, dass uns höchstens einige Minuten blieben, vielleicht sogar weniger, bis die Polizei eintraf. Indieser Zeitspanne mussten wir es so aussehen lassen, als wäre hier heute Nacht niemand gestorben. Ich trat wieder auf meinen Rasen und beschwor noch mehr Kraft herauf. Sie erlaubte es mir, sechshundert Pfund schwere Riesenleichen rasch zu der am weitesten von der Auffahrt entfernten Ostseite des Gartens zu schleifen und dort aufeinander zu stapeln. Um die Leichen auf der Straße würde sich Leif kümmern müssen. Die in meinem Bärenanhänger gespeicherte Kraft wäre zu schnell zur Neige gegangen, hätte ich versucht, sie allein zu tragen. Immerhin konnte ich inzwischen einen Tarnzauber über die Leichen und die sich ausbreitenden Blutlachen legen. Oh, und vielleicht sollte ich besser auch mein Schwert verbergen. Hier gibt’s überhaupt nichts zu sehen, Wachtmeister. Nicht stehen bleiben, weitergehen.
Leif war in einer Minute zurück und trug den Anzug, den ich mir mal in einem Billig-Kaufhaus zugelegt hatte. »Haben Sie sich in unseren Kleidern gefallen?«, imitierte er deren Werbeslogan, während er mir ein frisches T-Shirt zuwarf. Der Anzug passte ihm nicht richtig: Er spannte um die Brust, außerdem hatte Leif längere Arme und Beine als ich – schließlich war er ja auch ein verdammter Wikinger.
Die Sirenen klangen jetzt bedrohlich nah. »Du musst diese Leichen von der Straße holen und dort drüben hinschaffen.« Ich deutete auf den von mir begonnenen Stapel. »Und dann kümmere dich bitte um die Wahnvorstellungen meines Nachbarn.«
»Kein Problem.« Er schoss auf die Straße hinaus und begann Giganten zu werfen, wobei er sorgfältig darauf achtete, sich nicht die Hände blutig zu machen. Ich streifte mir das frische T-Shirt über, ohne dabei die Jalousie auf der gegenüberliegenden Straßenseite aus den Augen zu lassen. Mein Nachbar, Mr. Semerdjian, war schon immer von der neugierigen Sorte gewesen. Seit dem Tag, an dem ich eingezogen war, misstraute er mir zutiefst, weil ich kein eigenes Auto besaß.
Ich legte einen Tarnzauber über jeden Blutspritzer, den ich entdeckte, und anschließend auch noch über den Leichenstapel. Leif rannte über die Straße, um bei Mr. Semerdjian irgendeine dunkle Vampirmagie zu wirken: »Schauen Sie mir in die Augen. Sie haben nicht das Geringste gesehen.« Es war wie ein alter Jedi-Bewusstseinstrick.
Ich war mir einigermaßen sicher, alle sichtbaren Spuren beseitigt zu haben, als der erste Streifenwagen um die Ecke bog. Sollten die Cops allerdings im östlichen Teil meines Gartens herumschnüffeln, würden sie gegen einen größeren Stapel unsichtbarer Beweise rennen. Aber hoffentlich hatten sie keinen Grund, dort zu suchen. Während sie auf der Straße heranjaulten, murmelte ich eine kleine Beschwörungsformel, um den Geruch der Pflanzen in der Umgebung zu verstärken und hoffentlich den Gestank von so viel vergossenem Blut zu überdecken.
Dann schickte ich Oberon auf die Veranda, wo er sich still hinlegen sollte, während Leif und ich mit den Ordnungshütern redeten. Vermutlich brauchte er ohnehin ein weiteres Bad.
Drei schwarz-weiße Streifenwagen bremsten vor meinem Haus und signalisierten all meinen Nachbarn, dass der Lärm, den sie bisher ignoriert hatten, offensichtlich doch Anlass zur Sorge bot. Sechs Polizeibeamte sprangen aus ihren Autos und richteten über die Türen hinweg ihre Waffen auf uns.
»Keine Bewegung!«, rief einer von ihnen, obwohl wir völlig reglos dastanden. Ein anderer bellte: »Hände über den Kopf!«. Und ein weiterer sagte: »Lassen Sie das Schwert fallen!«
11
Wie ist es möglich, keine Bewegung zu machen und gleichzeitig die Hände über den Kopf heben? Hat es irgendeinen finsteren Grund, dass man Cops auf der Polizeiakademie beibringt, Verdächtigen widersprüchliche Befehle zuzubrüllen? Wenn ich dem einen Cop gehorchte, hatte der andere dann das Recht, mich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt zu erschießen? Doch der Einzige unter ihnen, der mir wirklich Sorgen bereitete, war der, der mir befohlen hatte, das Schwert fallen zu lassen. Es hing immer noch in seiner Scheide auf meinem Rücken, war aber von einem Tarnzauber umgeben. Konnte er etwa die Tarnung durchschauen?
»Guten Abend, meine Herren«,
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