Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
Gedanken mehr, nicht mehr jedenfalls, als die ans Fressen. Nein, Arré, ich glaube, wir sollten Boras nicht hinzuziehen.«
Arré lächelte. »Aber wir könnten Meredith Jalar und Edith Isara dazu bitten.«
»Sie gehören aber nicht zum Rat.«
»Stimmt«, sagte Arré. »Und es stimmt auch, daß das Haus Batto ebenso alt ist wie das Haus Med und beinahe so alt wie das Haus Hok, aber so, wie die Lage jetzt ist, hätte ich weit lieber Meredith Jalar im Rat als Kim Batto.«
»Oh, ich stimme dir natürlich zu«, sagte Marti. »Kim wird sehr bedeppert dastehen, wenn all das vorbei ist, denke ich. Ja, ich stimme dir zu, er muß der Verbindungsmann zwischen dem Tanjo und den Ismeninas sein. Was für ein dümmlicher, pompöser Mann! Er wird von Glück sagen können, wenn er mit heiler Haut aus der Geschichte herauskommt. Aber, er ist nur ein kleines, ein ganz belangloses Problem.« Sie hob die Hände in die Höhe. »Wir haben aber zwei sehr große Probleme. Ron Ismenin und die Schwerter sind das eine. Die ehrgeizigen Ziele des Weißen Clans sind das andere. Beide glauben, sie können den andern benutzen, um ihre Ziele zu erreichen. Stell dir einen Strang Wolle vor. Es gibt da zwei Enden, aber es ist nur ein einziger Faden. Wenn du an einem der beiden Enden zerrst, löst sich der Strang auf. Und was wir zwei hier tun müssen, ist folgendes: wir müssen uns entschließen, an welchem Ende wir zu ziehen beginnen.«
»Ach, ich wünsch mir, du wärest mit mir im Tanjo gewesen«, sagte Arré.
Marti trank einen Schluck Tee. »Ich bin sicher, ich hätte es auch nicht besser machen können. Du sollst deine Stärke nicht unterschätzen, Arré, du sollst die ihrige auch nicht überbewerten. Sie müssen verletzliche Stellen haben – schließlich hat die jeder. Ich beispielsweise neige zu Erkältungen.«
Arré begann zu lachen. »Marti, du bist nicht unterzukriegen!« sagte sie.
»Das will ich doch hoffen«, sagte die alte Frau. »Und nun, da es mir gelungen ist, dich endlich zum Lachen zu bringen, wollen wir mit unserem Zweierrat weitermachen? Du hast Zeit gehabt, über alles nachzudenken, ich nicht. Also sage mir, was du dir überlegt hast.«
»Also, ich habe mir überlegt«, sagte Arré, »daß man dem L'hel geben könnte, was er begehrt.«
»Eine Abstimmung im Rat.«
»Ja. Aber wir könnten darauf bestehen, daß der Repräsentant des Weißen Clans kein Wahrheitsfinder sein darf.«
»Und woher würdest du wissen, welche Gabe der Hexer besitzt?«
»Ich würde eine Demonstration fordern«, sagte Arré. »Hexer haben immer nur eine der Gaben.«
»Wer hat dir das erzählt?«
»Der L'hel – aber ich glaube, es ist so.«
»Es spielt keine Rolle«, sagte Marti. »Wir dürfen dem Weißen Clan einfach nicht nachgeben. Wenn wir für ihren Sitz im Rat stimmen, weil sie uns dazu erpressen, dann wird unsere Macht zur völligen Bedeutungslosigkeit herabsinken, wir werden nur noch eine nutzlose und kraftlose Proforma-Einrichtung sein, und früher oder später wird einer kommen und uns vom Tisch fegen.« Sie vollführte mit einer Hand eine kehrende Bewegung.
»Dieser Moment ist vielleicht schon über uns gekommen«, sagte Arré.
»Nein, das glaube ich nicht. Aber zweifellos liegt dieser Denkprozeß der Drohung des L'hel zugrunde, daß er nämlich durch Stillschweigen Ron Ismenin tun lassen wird, was immer der will, gleichgültig was der Rat wünscht oder beschließen mag. Sollen wir also dem Problem von der anderen Seite her beikommen? Vielleicht erweist es sich von hier aus als leichter. Wie viele von diesen Schwertern gibt es jetzt in der Stadt?«
»Wir haben fünfunddreißig an den Toren abgefangen, und sie sind in den Wachstellen unter Schloß und Riegel«, sagte Arré. »Und was die restlichen angeht – ich glaube, wir können annehmen, daß wir die meisten gefunden haben, nachdem wir mit der Suche begonnen hatten, aber wir haben natürlich keine Vorstellung davon, wie viele durchgerutscht sind, ehe wir begonnen haben, alles zu durchsuchen.«
»Und die hat Ron Ismenin«, sagte Marti. »Könnten es genügend an Zahl sein, um einen Wachtrupp damit auszurüsten?«
»Das könnten sie, ich habe daran auch schon gedacht.«
Die alte Frau warf ihr einen scharfen Blick zu. »Ist das der Grund, warum du deine Hofmeisterin letzte Woche beauftragt hast, sejis zu bestellen?«
Arré lächelte. »Was weißt du denn darüber?«
»In diesem Kaff bleibt aber doch wirklich gar nichts geheim«, sagte Marti. Sie blickte finster in ihre
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