Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
mich im Schatten gehalten, und ich glaub nicht, daß er mich entdeckt hat. Er hat einen ganz guten Körper ...« – Sereths Zähne blitzten –, »und ich nehme an, er macht ganz gern Geld damit. Jedenfalls, er ist dann zu diesem Haus gegangen, reingegangen, und als er wieder rauskam, hatte er eine Menge Geld! Er hat es für Kleidung und Schmucksachen ausgegeben und beim Glücksspiel in Kneipen, und er hat seitdem in Lokalen gegessen, die sich ein Karawanenführer normalerweise nicht leisten kann.«
»Man hat ihn für etwas bezahlt«, sagte Paxe. »Gut also, Sereth, welchem Haus hat er seinen Besuch abgestattet?«
»Isak Meds Haus«, sagte Sereth.
Paxe mußte blinzeln. Isak! Arré hatte den Verdacht gehegt, daß Isak irgendwie etwas mit den Schwertern zu tun habe. »Was meinst du, was ist in diesem Haus geschehen?« fragte sie.
»Ich bin sicher, er ist für etwas bezahlt worden«, sagte Sereth. Er schien sich Mühe zu geben, seine Überraschung angesichts einer solchen Frage zu verbergen. »Ich hab' mir gedacht – also, es erschien mir als wahrscheinlich, daß es was mit den Schwertern zu tun hat.«
»Warum?« fragte Kaleb. Doch die Anspannung in seinem dunklen Gesicht verriet, daß er nun Sereths Geschichte immerhin ernst zu nehmen begann.
Sereth antwortete: »Weil sie auf dem Ismenin-Hof mit dem Kurzschwert exerzieren; und das schon, bevor wir in Vanesis Wagen die Schwerter gefunden haben. Und Isak Med und Ron Ismenin sind Freunde.«
Paxe beugte sich vor und sagte: »Woher weißt du, wann sie im Ismenin-Hof damit begonnen haben?«
Sereth antwortete: »Mein Schwestersohnsvater hat einen Bruder, der dort Wache ist. Und vor drei Nächten hat er sich betrunken und mir alles erzählt.«
Also bröckelten Dobrins Befehle der Geheimhaltung endlich doch ab. Wo die Gerüchte wie die Fledermäuse durch die Stadt schwirren, dachte Paxe, glauben die Ismeninsoldaten wohl, daß es jetzt kein Rolle mehr spielt, zu wem sie davon reden. Sie nickte Sereth zu. »Du hast recht«, sagte sie, »und es war korrekt gehandelt, daß du direkt zu mir gekommen bist. Ich nehme meinen Verweis zurück.«
»Unglücklicherweise«, warf Kaleb ein, indem er sich neben Sereth kauerte, »ist nichts von dem, was du anbringst, ein Beweis für ein Verbrechen. Gut, ein Mann hat plötzlich Geld. Und was? Möchtest du vor ein Gericht des Med-Distrikts treten und Anklage gegen Isak Med vorbringen?«
Sereth fuhr sich nervös mit den Fingern durchs Haar. »Gewiß nicht. Aber ich hab' mir gedacht, wenn Leth einem Verhör unterzogen würde von ...« Er schielte erwartungsvoll und unsicher zu Paxe hin. »Hofmeisterin, du bist viel eindrucksvoller als ich. Vielleicht wird er dir sagen, was er mir nicht gestehen wollte.«
Kaleb an seiner Seite ließ ein dunkles Glucksen vernehmen. »Paxe, was er meint, ist daß du es aus dem Kerl herausprügeln sollst.«
»Ach, es braucht ja nicht das zu sein«, warf Sereth hastig ein. »Bloß – er ist unglaublich eitel!«
»Wir drohen ihm also, wir schneiden ihm die Nase ab?« Kalebs Zähne blitzten.
»Moment, Moment!« sagte Paxe. »Überlegt doch mal! Ich habe nämlich nicht die Absicht, Vanesis Karawanenführer mit einem Schlachtmesser durch ganz Kendra-im-Delta zu verfolgen!«
Sereth sprang beinahe von der Matte auf. »Das brauchst du ja gar nicht. Ich weiß, wo er ist. Er ist heut nachmittag in das Volksbad gegangen. Und im Augenblick gammelt er in einer Pfeifenhöhle im Batto-Bezirk herum. Sie heißt ›Haus der Lieblichen Träume‹ und liegt in der Straße des Flüsterns. Er hat vor, dort bis zwei Stunden vor Mitternacht zu bleiben, dann will er wieder in die Stricherstraße zurück.«
»Ich kenne diese Rauchhöhle«, sagte Kaleb.
Das Licht der Chobatalampe fiel ihm ins Gesicht; die Müdigkeit schien von ihm abgefallen zu sein wie ein abgestreiftes Hemd. »Der Besitzer ist ein Asech, und er heißt Skandar. Ich kenne ihn ganz gut. Er wird nichts dagegen einzuwenden haben, wenn wir uns privat mit einem seiner Kunden unterhalten, solang wir die anderen nicht im Schlaf stören ... Außerdem hat er Privatzimmer.«
Sereth hatte bei den Worten des Wachoffiziers zu strahlen begonnen.
Paxe sagte: »Schön, du bist überzeugend.« Sie stand auf und ging im Zimmer hin und her. Die Statue des Wächters schien sie von ihrem Platz her zu beobachten, und einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als bewege sie sich.
»Also gut«, sage Paxe schließlich. »Versuchen wir's damit!« Sie überlegte, was Arré sagen
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