Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
warfen sich wechselseitig zu Boden, und Paxes verspannte Muskeln lockerten sich. Schließlich bedeutete sie ihm, er solle abbrechen. Ihr Haar, ihre Kleidung war dick mit Staub bedeckt.
»Ah, so ist es besser«, stöhnte sie. »Jetzt fühle ich mich wieder mehr wie ein Mensch.«
Kaleb sagte heiter: »Du riechst aber eher wie ein Esel!«
»Elender Schuft! Ist das die Art, wie du zu deinem Befehlshaber sprichst?« Sie grinste. »Heiliger Wächter! Ich stinke wirklich bestialisch! Ich nehme besser ein Bad! Gib mir die Schuppenschlüssel.«
Er reichte ihr den schweren Schlüsselbund. »Für wann hast du ein zweites Training mit den Schwertern geplant?« fragte er. »Eins, an dem die Spätwache mitmachen kann?«
»Morgen nachmittag«, sagte Paxe, »vor der Wachablösung.«
Zwei Tage später begab sich Paxe um Mitternacht auf den Waffenhof, um Kalebs Bericht entgegenzunehmen, und fand dort zwei Männer vor, die auf sie warteten: Kaleb und Sereth, den Hauptmann der Tagwache am Stadttor.
Abgesehen von den beiden war der Platz leer. Sie nickte ihnen grüßend zu und überlegte sich, was Sereth hier zu suchen habe. Seit der neuen Wacheinteilung hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Zu den Schwertübungen war er nicht erschienen, doch vermutete sie, daß dies nicht aus Drückebergerei geschehen war, sondern weil er nach einer Tagesschicht am Tor völlig erschöpft sein mußte. Auch Kaleb sah müde aus. Aber er sah auch verärgert drein.
»Wie war der Tag?« fragte sie.
»Ich hab' schon mal bessere gehabt«, antwortete Kaleb. Dann erstattete er ihr kurz Bericht und wies schließlich mit dem Kinn auf Sereth. »Dein Torhauptmann hier wünscht eine Unterredung mit dir. Er weigert sich, mir oder Ivor die Sache zu unterbreiten.«
Sereth trat von einem Fuß auf den anderen. »Hofmeisterin«, begann er, »ich weiß, es ist gegen das Reglement, aber ich habe guten Grund.«
»Du solltest einen verdammt guten Grund haben!« sagte Paxe. Alle Beschwerden oder Vorschläge seitens der Hauptleute mußten der Vorschrift nach zunächst ihren Wachoffizieren oder Kaleb unterbreitet werden. Sereths dichtes sandfarbenes Haar stand ihm vom Kopf ab, wie stets, wenn er erschreckt war. »Also gut«, sagte sie, »gehn wir ins Haus hinüber!«
In der Hütte war es finster. Paxe tastete nach Zunder und Feuerstein und entzündete eine Lampe. Als es im Zimmer hell wurde, sagte Sereth: »Hofmeisterin, bitte vergib, daß ich mich so an dich wende.«
Paxe erwiderte: »Nicht ich muß dir vergeben, sondern Ivor und Kaleb. Du beleidigst sie, wenn du ihre Autorität in dieser Weise mißachtest.«
»Ich beabsichtige keine Beleidigung, ehrlich«, stammelte Sereth. »Nur, die Sache ist so wichtig!«
Kalebs Brauen zogen sich finster zusammen.
Paxe sagte kalt: »Du bist unverschämt und taktlos, Hauptmann! Setz dich! Also, worum geht es?«
Sereth setzte sich. Kaleb stand bedrohlich an seiner Schulter. »Es geht um Leth-no-Chayatha«, sagte er.
»Um Vanesis Karawanenführer.«
»Ja. Du hast mich beordert, ihn zu befragen. Wegen der Schwerter.«
»Du hast es getan.«
»Ich habe es getan. Und er wußte von nichts, er hat es geschworen beim Wächter, beim Grab seiner Mutter, bei sämtlichen Winterdämonen, daß er nichts weiß.« Sereth runzelte die Stirn. »Aber ich glaube ihm nicht. Irgendwas in seinem Gehabe ... Doch der Blaue Clan wollte nicht gestatten, daß ein Wahrheitsfinder zugezogen wird, und ich dachte mir, ich bekomme ja doch nicht mehr aus ihm heraus, wenn ich ihm immer wieder die gleichen Fragen stelle. Er hat immer die gleichen Antworten geliefert. Also habe ich es aufgegeben.«
»Wann hast du seine Befragung abgebrochen?« fragte Kaleb.
»Am letzten Tag des Ochsenfestes. Ich hab' ihn nicht weiter vernommen, aber ich habe ein Auge auf ihn gehabt.« Er hielt inne, schob störrisch das Kinn vor und sprach weiter: »Ich habe meinen Zweitkommandierenden gebeten, für mich ein paarmal einzuspringen, damit ich meinen Posten verlassen konnte, und ich habe ein paar Freunde aus der späten und der Nachtwache gebeten, mir zu helfen.«
»Weiter!« befahl Paxe grimmig.
»In der Nacht des Halbmonds – vor drei Tagen also – hat er sein Haus verlassen und ist an einen Ort gegangen, wohin er zuvor nie gegangen war. Die übrigen Tage hat er meist immer das gleiche gemacht: er ist in Kneipen gegangen oder rüber in die Stricherstraße.«
»Bist du ihm dorthin auch gefolgt?« fragte Kaleb, und seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
»Ja. Aber ich hab'
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