Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
irgendeines Hufschmieds hätte angefertigt haben können.
Wieder setzte Evrith zum Reden an. Und Seth zischte wütend: »Halt das Maul!«
Paxe streifte ihn mit einem schnellen Blick. Er lügt, dachte sie. Er begegnete aufsässig ihrem Blick, und wieder wuchs Zorn in ihr empor. Sie schob das Schwert in die Scheide und bückte sich, um es niederzulegen, sprang aber plötzlich hoch, straff und gerade wie eine gezogene Bogensehne, die an ihren Platz zurückspringt. Ihre rechte Faust packte Seth vorn am Hemd, und sie schüttelte ihn, bis seine Augen zu rollen begannen, und als sie ihn genug geschüttelt hatte, schlug sie ihm ins Gesicht. »Das ist für deine Lügen. Also, woher hast du es?« Sie wartete, bis er zu sprechen anfing, dann schlug sie ihn erneut, und diesmal sehr hart.
Tränen quollen ihm in die Augen, er sprudelte einen Namen hervor: »Lyrith!«
»Für wen kämpft er?« fragte Paxe.
»Ismeninas«, stammelte Seth und schwankte in ihrem Griff hin und her.
Paxe ließ ihn los.
Sie nahm das Schwert wieder auf. »Hast du vielleicht Lust, dich im Tanjo für den Besitz einer scharfen Waffe zu rechtfertigen?« fragte sie. Seths Gesicht wurde grau. Allesamt schüttelten die Soldaten den Kopf. »Dann schlage ich vor, ihr vergeßt, daß ihr das da jemals gesehen oder angefaßt habt.« Sie hielt das Schwert hoch.
Evrith sagte: »Ja, Hofmeisterin.« Sie traten ihr aus dem Weg, als sie sich umwandte und vom Trainingsplatz ging. Als sie außen am Zaun entlangschritt, roch sie wieder das Himmelskraut, dessen Duft noch immer in der Luft hing. Der ganze Vorfall hatte sich blitzschnell abgespielt.
Sie trug das Schwert in ihr Haus und legte es droben neben ihrem Bett nieder. Sein Anblick versetzte sie in Unruhe. Wenn Ricky heraufkam und das Schwert da liegen sah? Sie stieg wieder hinunter. Sie hob den Deckel ihrer Zedernholztruhe, wühlte das Schwert zwischen die Steppdecken, bis es von deren Falten bedeckt war. Sie würde natürlich Arré davon berichten müssen. Und Arré würde wissen wollen, wie es in ihre Hände gelangt sei, woher es stamme, wer es gefertigt habe. Sie grub das Schwert wieder hervor und nahm es auseinander, ganz wie der alte Tyré sie das gelehrt hatte.
Auf dem Griffzapfen entdeckte sie eingegrabene Runenzeichen – den Namen des Schmiedes. Sie rätselte daran herum, doch es war eine ihr fremde Schrift, und so gab sie es auf. Unter dem Namenszug befand sich ein kleines Fischemblem, und das verriet ihr genug. Das Schwert kam tatsächlich aus dem Norden, aus Tezera, und es war eine alte Waffe. Rost überzog den Stahl. Die Waffe mußte vor dem Bann geschmiedet worden sein.
Sie setzte das Schwert wieder zusammen. Selbst der verfärbte Stahl fühlte sich noch gefährlich an, sowohl wegen dem was er war, als auch wegen dem, was sein Besitz bedeuten konnte. Die Waffe war ni'chea! Waffen mit scharfem Schliff, so hatten die Hexer bestimmt, zerstörten jede Harmonie, die die Menschen in Frieden zueinanderbrachte und das Land Arun fruchtbar sein ließ, und so war es verboten, solche Waffen zu besitzen oder sie innerhalb der Stadt zu verwenden. Es war kein absolutes Verbot, doch die Ausnahmebedingungen waren klar und deutlich, und jedes Kind auf den Straßen der Stadt kannte sie – was natürlich Schwerter nur noch faszinierender machte, wie Paxe sehr wohl wußte.
Ihr Wächterstandbild ruhte in seiner Nische in der Wand. Sie pflegte es nicht oft anzuschauen; es war Bestandteil ihres Daseins, genau wie ihre Vergangenheit. Das Bild war aus rotem Stein, eine Seltenheit in Kendra-im-Delta: die meisten dieser Statuen hier in der Stadt waren aus Ton gefertigt und weiß. Kaleb hatte ihr die Statue geschenkt. Die Asech nahmen Symbole äußerst ernst. Kaleb war in zehn Jahren nicht ein einziges Mal in die Wüste zurückgekehrt, doch er trug noch immer das Stammeszeichen des Ratten-Clans unter dem Hemd, wo man es nicht sehen konnte.
Paxe starrte das stilisierte Gesicht an und überlegte, was sie tun solle. Das Gesetz verpflichtete sie, das Schwert in den Tanjo zu bringen, es den Hexern zu übergeben und Seth als seinen Besitzer zu denunzieren. Sie fragte sich, was sie wohl mit Seth machen würden, wenn sie ihn an sie verriet. Er konnte aus der Stadt verbannt werden, ausgepeitscht, mit einer schweren Geldbuße belegt werden, oder noch Schlimmeres. Der Mann, der als Letzter ein Schwert in die Stadt gebracht hatte, wurde damit bestraft, daß man ihm die rechte Hand abhackte.
Mit gerunzelter Stirn legte sie das Schwert
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