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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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hier so eine der möglichen Zukünfte war. »Ich weiß es nicht, Kind. Aber du könntest sie ja fragen gehen«, fügte sie freundlich hinzu, so daß Sorren spüren konnte, daß sie sich nicht über ihre Ängste lustig machte.
    Sorren nickte nur. Sie schob sich das Geldband über den Arm und ging hinaus. »Vergiß mir nicht, Süßbeeren zu bestellen!« rief Arré hinter ihr drein. Dann nahm sie die Zeichnungen vom Tisch und rollte sie auf den Knien auf. Die Sache sah nicht allzu schlecht aus.
    Lalith meldete sich unter der Tür. »Herrin, die Hofmeisterin ist da und möchte dich gern sprechen.«
    Arré war erschrocken, und die Rollen fielen auf den Boden. »Sag ihr, sie soll reinkommen, und bitte, heb mir das da auf!« Lalith schaute sie an, als halte sie sie für verrückt, dann legte sie die Papiere auf den Tisch. Darauf ging sie auf den Korridor hinaus. Arré hörte Gemurmel, dann den festen Schritt Paxes. Sie kam ins Zimmer gestapft, beide Hände in den Taschen vergraben. Arré legte den Kopf schief, um sie zu betrachten: sie sah müde aus, und die Stiefel waren schmutzverklebt.
    »War die Nacht ruhig?« fragte Arré.
    Paxe nickte. »Dobrin ist fort. Er hat einen Brief für mich hinterlassen.«
    »Der Hofmeister der Ismeninas? Was soll das heißen, er ist fort?«
    »Er ist heim ins Galbareth und will Bauer sein. Gavriénna-no-Nusuth ist die neue Meisterin im Ismenin-Hof.« Ihre Stimme klang dünn vor Gram. Arré suchte hastig nach Worten.
    »Was für ein Verlust«, sagte sie.
    Paxe nickte. »Ich hab' Sorren unterwegs getroffen. Sie sagt, du hast nach mir gefragt.«
    »Aber gewiß habe ich nach dir gefragt!« sagte Arré. Sie streckte die Hand aus. »Nach der letzten Nacht – Paxe, setz dich bitte hin!«
    Paxe schüttelte den Kopf. »Nein. Ich will schlafen.«
    Arré seufzte. »Ich wünschte, ich hätte einen Trost für dich«, sagte sie traurig. Wohin war ihre Wortgewandtheit verschwunden? Sie rieb sich die Augen. »Weißt du«, sagte sie und tastete sich langsam vor wie ein Matrose, der ein Spierholz entlangbalanciert, »aber du weißt's ja, daß ich nicht an das Chea glaube – aber wenn es existiert, wenn es wirklich eine einzige große Harmonie gibt, nach der wir alle tanzen – dann hängt seine Existenz nicht von der Ehrenhaftigkeit des Weißen Clans ab, und auch nicht von seiner Unehrenhaftigkeit.«
    Paxe reagierte nicht sogleich. Doch nach einer Weile sagte sie: »Ja. Du hast recht.« Und plötzlich trat sie an den Sessel, neigte sich herunter und drückte ihre Wange gegen die Wange Arrés. »Arré – warum hast du so lange damit gewartet, bis du mir von dem Verrat des L'hel etwas gesagt hast?«
    Arré sagte ruhig: »Weil ich feige bin, Paxe. Ich hab' es einmal versucht, gestern, aber du hast geglaubt, ich will was anderes sagen, und ich konnte nicht sprechen, ich konnte es einfach nicht! Schimpf mich nur aus, wenn du magst.«
    »Das tu' ich auch. Ein bißchen«, flüsterte Paxe an ihrem Ohr. »Aber mich trifft die gleiche Schuld, weil ich nicht hören wollte.« Sie richtete sich auf und verließ das Zimmer, ehe Arré sie zurückrufen konnte. Sie hob die Hand und fuhr sich über die Wange. Sie hatte keine Ahnung, ob sie das richtige oder das falsche Wort gesagt hatte. Jenseits eines bestimmten Punktes, sagte sie sich dann, spielen Worte keine Rolle mehr. Wichtig ist nur das Vertrauen. Ihr Magen polterte, er verlangte nach Sahne und Beeren und Honig.
    Sie konnte sich nicht auf die Baupläne konzentrieren. Sie erhob sich und ging durch den Flur in die Küche und von dort auf den hinteren Hof hinaus. Über ihr wölbten sich die Äste der Bäume, üppig und voll im Laub. Kleine Saueräpfel baumelten von den Zweigen, doch Arré war nicht großgewachsen genug, sie zu erreichen, und überdies schmeckten sie schrecklich. Sie wanderte in den Garten. Die Blumen standen ordentlich in Reihen wie eine Lanzenphalanx. Die letzten Bienen des Sommers summten um die vertrockneten Blüten. Sie bückte sich und fuhr mit der Hand über das Gras, es fühlte sich trocken an. Das Jahr neigte sich dem Ende zu. Bald würden die Regen das Blattwerk von den Bäumen peitschen, die duftlosen Blütenköpfe von den Stengeln, und die Stadt würde ihr Fest feiern. Sie malte sich aus, wie der L'hel seine schöne kräftige Stimme erheben würde, um dem Wächter für die überreiche Ernte des Jahres zu danken.
    Ihre Hände ballten sich zu Fäusten. Hatte der Mann etwas von Ron Ismenins Plänen gewußt?
    Sie stapfte die Blumenbeete entlang.

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