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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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den Kopf. Sorren nahm ihr die Trillerpfeife aus der Hand und brachte sie Myra.
    »Ich danke dir«, sagte Myra und fuhr in ihrer Rede fort. Das Mädchen in der Sänfte stimmte ein Geheul an. Schließlich wurde dem Kind klar, daß keiner sich darum scherte; sie kletterte aus der Sänfte und rannte zu ihrer Mutter. »Du bekommst die Pfeife wieder, wenn wir im Park sind«, sagte Myra ruhig. »Laß das Schniefen sein!«
    »Wollen wir losziehn?« fragte Arré.
    Am Nachmittag waren sie alle in den Tanjobezirk gegangen, um die Zeremonie zu sehen, bei der der L'hel den Segen und das Wohlwollen des Wächters über das Land und die Stadt herabbeschwor. Und den ganzen Nachmittag lang hatte man in allen Bezirken Festzelte errichtet. Das Zelt des Blauen Clans im Ismenin-Bezirk war das größte, aber der Pavillon der Jalaras war der schönste und am prächtigsten ausgeschmückte. Zwölf Tage nach den Unruhen sah man im Jalar-Bezirk nirgends mehr Anzeichen davon und von Beschädigungen, außer an den Stellen, wo man Mauern und Fenster und Fensterschirme hatte erneuern müssen. Der Med-Pavillon stand im Park am Fuß des Hügels. Er war rot mit blauen Dreiecken darauf, und er war groß genug, hatte Arré gesagt, um mehreren tausend Menschen Platz zu bieten. Arré hatte die letzten vier Tage im Park zugebracht und den Architekten dabei zugeschaut, wie sie sich um die Plazierung stritten, und sie hatte ihrerseits sich um den Standort mit ihnen gezankt. Zwei große Gruben waren für den Abfall ausgehoben worden, und in den bloßen Grund hatte man zwei Straßen gebahnt, und am Rand des Platzes hatte man große Wasserzuber aufgestellt, für den Fall, daß ein Feuer ausbrach. In einem Jahr war im Sul-Bezirk eins ausgebrochen, und das Festzelt war in Flammen aufgegangen, und viele Menschen waren verletzt worden. Darum trafen jetzt alle Bezirke Vorkehrungsmaßnahmen.
    Sorren überlegte sich, daß es doch eigentlich ein Wunder sei, wenn es nicht mehr Brände gab. Alle Straßenlaternen waren entzündet, alle Hauslaternen, und die Menschen wanderten bis zum Mondaufgang mit Kerzen durch die Gegend. »Da nimm!« Arré schob ihr die Umhänge zu. »Bist du sicher, daß du weißt, wo wir sein werden?«
    »Bei den großen Bäumen. Ich finde euch schon. Es steht ein Posten dort. Richtig?«
    Arré schaute finster drein. »Ich wollte, es wär schon vorbei«, sagte sie. »Bist du traurig, daß du in diesem Jahr nicht trommeln wirst?«
    Sorren seufzte. »Ein klein bißchen.«
    Isak hatte sich in diesem Jahr einen anderen Trommler zur Begleitung seines Tanzes gewählt. Damit hatte Sorren gerechnet, nach dem, was bei der Verlobung geschehen war, aber sie kam sich noch immer komisch dabei vor, Zuschauer zu sein und nicht aktive Mitwirkende.
    »Denk nicht daran«, sagte Arré. Mit dem Kopf voran stieg sie in die Sänfte. Myra lächelte Sorren zu und folgte dann Arré.
    In der zweiten Sänfte brüllte die Dreijährige: »Will Mama gehn!« Sorren hievte sie aus der Sänfte und trug sie zu ihrer Mutter, die sie in die Arme nahm.
    »Husch – sei still!« sagte Myra und wiegte das Kind.
    »Ich auch«, sagte Kathi, die zweitjüngste, und begann aus der Sänfte zu klettern. Riat seufzte und faltete in mannhafter Verachtung die Arme.
    »Nein!« sagte Sorren. »Du bleibst hier, oder ich sorge dafür, daß du zu Hause bleibst und mit Lalli die ganzen Töpfe schrubben mußt.« Dies bewirkte Stillschweigen. Die Sänftenträger nahmen ihre Plätze ein, und im Handumdrehen schwankten die Sänften unter Glöckchengebimmel den Hang hinunter. Sorren winkte Kaleb zu und ging langsameren Schrittes hinterdrein. Die Umhänge trug sie über dem Arm.
     
    Der Lärm auf den Straßen war enorm. An jeder Ecke, so hatte es den Anschein, war eine kleine Vorstellung im Gange. Überall trieben sich Jongleure herum, wirbelten Birnen und Äpfel durch die Luft; oder Sicheln oder Löffel; es gab Tänzer und Pantomimen, es gab Artisten, die auf dem Kopf standen oder einander auf den Schultern, und es gab Leute, die Fischkuchen verkauften und Nudelpasteten und Himmelskraut und Wein. Kinder ritten Huckepack auf den Schultern ihrer Eltern und bekamen große Augen angesichts des Schauspiels, das sich ihnen bot; Männer und Frauen mit Stirnbinden und Burnussen und wehenden Asechkleidern drängten sich in Klumpen in den Ecken zusammen und schauten den Darbietungen zu ... Ein Greis trieb mitten auf der Straße Wahrsagerei. Der Duft bratender Wachteln wehte vom Schiebkarren des Verkäufers herüber.

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