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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Überall standen Wachen herum und spähten nach Dieben aus, denn das Große Fest war auch die Saison für die Taschenfilzer. Die stahlen da Geldbörsen; und viele hatten scharfe Messer, mit denen sie die Fäden sorglos gehandhabter Geldschnüre zerschnitten. Sorrens eigenes Geldband (es war wirklich und wahrhaftig ihr eigenes, denn Arré hatte es ihr als Geschenk zum Fest gegeben), lag sicher in ihrer Hosentasche verstaut. Auf der Schnur war eine Münze jeder Größenordnung, außer einem Largo, aufgereiht.
    Während sie weiterschlenderte, hielt Sorren nach Freunden Ausschau. Aller Wahrscheinlichkeit nach würden Tani und Simmy und Nessim sich im Isara-Bezirk aufhalten, und Jeshim – der aber inzwischen nicht mehr ihr Freund war – jonglierte im Zelt des Blauen Clans. Aber Leute, die sie von den Märkten kannte, mochten vielleicht vorbeikommen; es war Tradition, daß man an diesem Tag durch alle Stadtbezirke streifte und an jedem Festzelt vorbeischaute.
    Wolken von Himmelskrautrauch schwappten um die Laternen, und die Leute trugen Weinschläuche auf der Schulter. Eine Hand, die einen Pfeifenkopf umklammert hielt, schwankte unter ihrer Nase hin und her. Sie blickte nach unten. Ein Asechjunge grinste zu ihr herauf. Sie zog an der Pfeife, und ehe sie noch »ich danke dir« hätte sagen können, war der Junge verschwunden. Die Rauschdroge ließ ihre Glieder angenehm prickeln. Der glühende Schein des Vollmondes verbreitete sich über den Himmel. Sorren wußte nicht, was ihr mehr Spaß machte, dieses Fest oder das Frühlingsfest, bei dem die Menschen in langen Schlangenreihen mit Fackeln durch die Straßen tanzten. In den Weinfeldern, erinnerte sie sich, tanzte man dann durch die Felder und stampfte die eben ausgeworfene Saat mit den nackten Füßen in die Erde.
    Sie betrat den Park. Überall trieben sich die Posten der Nachtwache herum. Überall purzelten Kinder herum und rannten dahin wie junge Hunde. Sorren suchte nach dem großen Baum. Er stand nahe beim Festzelt, doch nicht zu nahe bei den Gruben, denn die stanken, oder an den Wegen, denn die waren staubig.
    Sie entdeckte den Baum und strebte auf ihn zu. Plötzlich war überall Geschrei zu vernehmen: der Mond stieg herauf. Er zog fast genau im Süden empor, und er war goldgelb wie das Blütenherz einer Margerite und riesig groß und hell genug, daß man in seinem Licht Farben unterscheiden konnte. Die Menschen hüpften und stampften und johlten. Sorren warf den Kopf in den Nacken und schrie: »Joi-joi-joi-joi!« Das war der Ruf der Weinleser, und ein Halbhundert Stimmen gab ihr Antwort. Sie drückte die Mäntel an die Brust und zitterte vor Erregung über den Freudenlärm.
    Sie fädelte sich durch das Gedränge zu dem Großen Baum hinüber. Die Dreijährige blies mit tiefem Ernst auf ihrer Rohrpfeife und stapfte auf und ab, als führe sie eine Blaskapelle an. Arré saß auf einer Decke, der geöffnete Eßkorb stand neben ihr. Sie zermahlte ein Seetangbällchen im Mund. »Setz dich her!« Sie wies auf die Decke. Sorren ließ sich nieder. Sie fühlte sich ein wenig verlegen. Myra erzählte Kathi alles über das Fest, was dabei gefeiert wurde, wie alt das Fest war und so fort.
    Der Posten neben dem Baum zeigte Riat seine Pike. Sorren ließ sich rücklings auf die Decke sinken, bettete den Kopf auf einen Arm und schaute dem aufsteigenden Mond zu. Als er höher am Himmel heraufstieg, wurde er weißer, doch er war noch immer riesig und schimmernd und schön. Die Dreijährige begann sich mit ihrer Pfeife zu langweilen und kam und setzte sich neben ihre Mutter. Sie sah Myra ähnlich, hatte die braune Hauttönung und das braune Haar und die hellen Augen der Mutter.
    Sorren fragte sich, wo Paxe sein mochte. Eigentlich war die Hofmeisterin erst wieder um Mitternacht im Dienst, doch sicher hielt sie sich hier irgendwo mitten in der Menge auf und sorgte dafür, daß alles glatt verlief.
    »Sorren!«
    Sie schrak zusammen. Riat stand neben ihr. »Du hast mich erschreckt, chelito! Was gibt's denn?«
    »Ich will zu Papa! Bringst du mich hin?«
    Im Jahr zuvor war er zu den kleinen Zelten gekommen, in denen sich die mitwirkenden Darsteller umzogen, um seinen Vater vor der Vorstellung zu besuchen. »Frag deine Mutter, ob du darfst«, sagte Sorren.
    Riat trat zu Myra und flüsterte dringlich auf sie ein. Dann kam er hüpfend zu Sorren zurück. »Sie sagt, ich darf!« Er griff nach Sorrens Hand. »Bringst du mich hin?« Er lächelte vertrauensvoll zu ihr herauf. Die dunklen Augen

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