Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
Vom Netzwerk:
Tischplatte. »Sei bedankt für das Mahl, Arré«, sagte er. Unter den Ratsmitgliedern war er der Jüngste, und normalerweise sprudelte er über von leichtfertigem Geschwätz, Nichtigkeiten, Tratsch über dieses Haus oder jenes. Arré fragte sich, was los sein mochte, daß er so schweigsam blieb.
    »Ich habe es gern gegeben«, sagte sie. »Du bist so still, heut abend.«
    »Es tut mir leid.«
    Arré schnaubte. »Es hat ja keiner gesagt, daß du reden müßtest.«
    »Ich könnte ja immer noch über das Essen sprechen«, gab er mit einem Blick auf Boras zurück.
    Sie lächelte ihm zu. »Da gibt dir mal keine Mühe.« Sie fuhr leiser fort: »Das erledigt Boras für zwei hinreichend.«
    Sie hatte beabsichtigt, ihn zum Lachen zu bringen. Doch er setzte nur ein flüchtiges Lächeln auf und starrte dann auf seine Hände. Arré gab auf. Marti Hok lächelte, als spüre sie Arrés Ungeduld. Wie eine fette Spinne sieht sie aus, dachte Arré. Das war nicht als Beleidigung gedacht – es war das gleiche Bild, das sie dachte, wenn sie an sich selbst erinnert wurde: ein mageres, dunkles Insekt mit raschen Bewegungen, dem man keine Aufmerksamkeit schenken muß, bis es einen gebissen hatte.
    Die Ratsälteste pochte mit ihrem Stock auf den Boden. Der silberne Knauf hatte die Gestalt eines Vogels Phoenix. »Wollen wir beginnen?« befahl sie.
    »Ja, fangen wir an!« sagte Kim.
    Arré nickte. Sie bedeutete Marti, sie möge sich als die Älteste zuerst erheben. Am anderen Ende des großen Empfangsraumes waren Sessel um den Kamin gruppiert. Natürlich war der Rost leer, doch eine Feuerzange, die Zunderbüchse und ein Stapel gut abgelagerter Birkenkloben lagen bereit. Der Kaminsims war frisch poliert worden, und das Eichenholz schimmerte wie Seide. Auf dem Sims standen zwei Lampen mit Schirmen aus Ölhaut und warteten darauf, entzündet zu werden. Eine hohe rote Lackvase mit blauen Lilien stand in der runden Höhlung des Kamins.
    Die Stadträte machten es sich gemütlich. Sorren trat ein und brachte ein Tablett mit Gläsern und zwei Karaffen voll trockenen goldgelben Weins. Sie reichte jedem Ratsmitglied ein Glas. Ein kratzendes Geräusch verriet Arré, daß der Tisch, an dem sie soeben gesessen hatten, an die Wand gerückt wurde, um den Platz für Isaks Tanzdarbietung freizumachen. Die Schreiberin, Azulith, kam herein und hockte sich auf den Schemel, der für sie an Arrés linker Seite bereitgestellt worden war.
    »Guten Abend«, sagte die Schreiberin munter. Boras schützte Taubheit vor; Kim stierte ins Leere; Marti lächelte.
    »Guten Abend, Azulith. Wie geht's deinen Knien?«
    »Schrecklich! Es ist die Feuchtigkeit aus dem Wasser, Herrin, die den Schmerz bringt.« Azulith legte die Schriftrolle im Schoß zurecht und holte Pinsel und Tuschfäßchen hervor.
    »Das kenne ich«, sagte Marti. »Mir geht es ebenso.«
    »Fangen wir an?« sagte Kim brüsk.
    »Du meine Güte«, säuselte Marti mit zuckersüßer Stimme, »was treibt dich denn so zur Eile?«
    Kim schob schmollend die Lippen vor. Um seinen Worten zuvorzukommen, befahl Arré: »Sorren, schließ die Tür!«
    Sorren zog die große Doppeltür zu. Arré hob ihr Glas an die Lippen. Sie liebte den Duft wirklich guten Weins, obschon sie selten mehr als ein Glas davon trank. Wein machte sie müde und schläfrig, und wenn sie zuviel davon nahm, wurde ihr übel. Sorren trat um die Gruppe herum zum Kamin und entzündete die zwei chobata auf dem Kaminsims. Sie schimmerten weich durch die bemalten porzellanweißen Hautschirme. Arré setzte ihr Glas auf dem Tischchen ab, das Sorren zu eben diesem Zweck an ihrem Ellbogen plaziert hatte. »Wer hat eine Erklärung abzugeben?« fragte sie.
    Mit diesen Worten war die Ratssitzung offiziell eröffnet.
    Kim Batto kreuzte unter seiner schwarzen und scharlachroten Robe die Beine. »Ich«, sagte er.
    Arré faltete die Hände im Schoß. Zwischen der Familie der Batto und der der Med gab es eine lange Tradition der Feindschaft, die zweihundert Jahre weit zurückreichte, bis vor die Gründung der Ratsversammlung. Ewain Med, Kapitän der Stadtwache und Erbe des Hauses Med, war vom ältesten Sohn der Batto-Linie getötet worden, von einem Mann namens Raven Batto. Der wurde zum Gesetzlosen erklärt und mit ihm zog – dem eigenen Wunsche folgend, aber zur Verzweiflung ihrer Familie – Maranth Med, die nächste in der Erbfolge des Hauses Med.
    Geschichten über ihre Fahrten nach Anhard oder in die Roten Berge hatten sich in Arun viele Jahre nach ihrem

Weitere Kostenlose Bücher