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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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wartete.
    »Tut mir leid, Sorren. Ich hab' mich in Gedanken verloren. Ja, natürlich darfst du gehen. Versprechen sollte man immer halten. Weißt du denn, wann das Schiff abfährt?«
    Sorren schüttelte den Kopf.
    »Die Flut setzte heute vier Stunden vor dem Mittag ein«, sagte Marti Hok. »Das Schiff wird wohl bei steigender Flut auslaufen.«
    Arré knurrte: »Woher weißt du das?«
    Marti sagte: »Arré, sei doch nicht kindisch. Mein Bezirk grenzt an den Deltaansatz, also kenne ich natürlich die Gezeiten. Genau wie gut die Hälfte der Bewohner dieser Stadt.«
    »Ja«, sagte Arré, »vermutlich tun sie das.«
    Sie konnte die Gedanken an Isak nicht verjagen. Sie fragte sich, ob man ihn gefesselt hatte, als man ihn wieder in seine Zelle brachte. »Ron Ismenin«, murmelte sie und griff nach einem Stück Papier. »Bitte finde dich heute in der ersten Stunde vor dem Mittag in meinem Hause ein!«
    »Das klingt wie die Aufforderung einer Magistratsperson«, sagte Marti.
    »Das soll es ja.« Er würde kommen, dessen war sie sicher. Sie schob das Papier Sorren hin. »Übergib das einem unserer Posten, er soll es im Haus der Ismeninas abgeben.«
    Sorren verneigte sich.
    »Geh! Nun geh schon!« befahl Arré. Das große Mädchen drehte sich und verschwand durch die Tür. Arré hörte, wie sie stehenblieb und mit dem Wachtposten sprach.
    Marti beugte sich vor. Die Sonne schimmerte auf ihrem Haar. »Arré«, begann sie mit umflorter Stimme, »gib Sorren frei. Laß sie gehen!«
    Arré war in Gedanken noch bei Ron Ismenin. Wenn sie mit ihm gesprochen hatte, würde sie Tarn Ryth einen neuen Brief schreiben. »Was ist?« fragte sie. »Das hab' ich doch!«
    »Nein«, sagte Marti. »Laß sie von hier, von dir fortgehen! Siehst du denn nicht? Sie ist erwachsen geworden. Sie ist eine erwachsene Frau! Sie ist bereit! Sie sehnt sich danach, in den Norden zu ziehen. O ja, sie hat es mir eingestanden. Und du wußtest es natürlich auch. Wie lange ist sie dir noch verdingt?«
    Einen Augenblick lang vermochte Arré sich nicht zu erinnern. »Ein Jahr. Glaube ich jedenfalls«, sagte sie. »Doch, es ist noch ein Jahr.«
    »Erlaß ihr dieses Jahr! Wenn aus keinem andern Grund, dann für den Dienst, den sie dir heut nacht geleistet hat! Sie hat sich die Freiheit verdient.« Marti Hok hob die Teetasse an die Lippen. Arré erinnerte sich an das langbeinige lohfarbene Kind, wie sie es zum erstenmal gesehen hatte: auf den Weinfeldern, über Unkraut gebeugt, jätend. Es ist wahr, dachte sie, sie ist gewachsen. Das Kind ist dahin.

22. Kapitel
     
    Das stolze Schiff Ilnalamaré war zum Auslaufen bereit. Es lag gerade auf der Gleitbahn, dicke Schrägbalken hielten es im Gleichgewicht, während eine freundliche Flut um den Bug wirbelte. Die Arbeitsmannschaft stand bereit, die Stützhölzer mit Seilen fortzuziehen. Im Wasser warteten zwei gedrungene Barkassen, um sie in die Fahrrinne des Flusses zu schleppen, ins tiefe Wasser; sie waren mit einem größeren Schiff mit Tauen verbunden, die in krallenartigen Haken endeten. Sorren kniff die Augen in der Sonne zusammen. Sie schmerzten sie, und ihr Mund war pelzig vom Mangel an Schlaf. Sie fragte sich, ob man Myra schon eröffnet hatte, was Isak getan hatte. Die Ereignisse der vergangenen Nacht erschienen ihr nun allesamt wie ein böser Traum, an den sich zu erinnern sie nicht erst hatte schlafen müssen.
    Sie hatte erwartet, daß sich auf dem Bretterstieg eine Menge Menschen versammeln würden. Mehr Posten als gewöhnlich patrouillierten durch die Straße. Als sie sich dem Stieg näherte, gebot ihr ein Posten Einhalt. »Du kannst da nicht hin«, sagte er.
    »Wieso nicht?«
    »Das sind reservierte Plätze.« Er trat kurz beiseite, damit sie es sehen konnte. Ein Grüppchen reichgekleideter Menschen stand an der Spitze des Steiges; sie erkannte Edith Isara.
    »Darf ich zum Ufer runter?« fragte sie.
    Er spähte kurz nach links und nach rechts, dann zuckte er die Achseln. »Mich hast du nicht gefragt. Ich hab' dich nicht gesehn!«
    »Ich danke dir.«
    Während Sorren die steinchenbedeckte Böschung hinabschlitterte, erhob sich ein Lärmen. Sie bremste und blieb stehen. »Awuu! Awuu!« Der Alarm, dachte sie in unsinniger Panik. Doch die Werftmänner, die im Schlamm herumstanden, zogen nur ihre Handschuhe an und schauten zu dem Schiff hin. Aus ihrer Froschperspektive konnte Sorren wieder erkennen, wie groß es war. Aber angesichts des Ozeans war es nicht größer als ein Spielzeug, nicht größer als ein treibender

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