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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Kaufmannstochter geheiratet. Die Ismeninas sind nicht das einzige Adelshaus in der Stadt, das die Regel umgeht.«
     
    In dieser Nacht träumte Sorren erneut von der Burg. Es war ein hektischer Traum. Sie erblickte den Wachtturm und dann die Festungsmauer. Jemand stand auf dem Wehrgang. Sie wollte sehen, wer es war. Und bei diesem Versuch wachte sie abrupt auf, als sie im Traum versuchte, näher an die Mauer heranzugelangen.
    Der Traum brachte ihre Gedanken zu Kadra zurück. Bei Sonnenaufgang ging sie zur Kate hinüber, weil sie hoffte, Paxe dort vorzufinden, doch die Hofmeisterin war ausgegangen. Nur die einäugige Katze schnurrte ihr um die Beine. Auch von Ricard keine Spur.
    Sie kehrte in die Küche zurück. Während sie im Kopf ihre Einkaufsliste herunterbetete und sich zum Gehen bereitmachte, fragte sie den Koch: »Bist du jemals einem Ghya begegnet?«
    Er prustete sie durch seinen Bart an. »Ha. Da hat dir einer Märchen aufgebunden. Sowas gibt's gar nicht, Mädchen. Wo hast du das gehört?«
    Sie zuckte die Achseln. »Ach, laß nur.« Und sie ging aus der Küche, ehe er ihr weitere Fragen stellen konnte.
    Der Nebel war ins Land gekommen; Straßenhändler riefen ihre Waren aus, an den Karren bimmelten Schellen. Am Obststand dachte Sorren daran, einen Sack Süßbeeren zu bestellen, bezahlte sie gleich und befahl, daß sie sofort geliefert werden sollten. Das würde Arré Freude machen. Dann ging sie die Schiffsgleitbahn suchen.
    Sie verlief sich auf den Docks. Die kahlen Wände der Speicherhäuser verwirrten sie. Nachdem sie durch enge, schlammerfüllte Gassen geirrt war, die für sie alle gleich aussahen, erblickte sie schließlich einen Mann, der in großen Lettern etwas auf eine Wand schrieb. Sie ging zu ihm. »Ich suche die Werft mit der Schiffsgleitbahn der Jalaras.«
    Er wies die Straße hinunter. Seine braunen Hände waren vom Kalkstaub weiß bepudert. »Geh diesen Weg entlang und nimm dann die zweite rechts, dann kommst du hin.«
    »Dank dir.« Sie blickte auf die Wand. »Was steht da geschrieben?«
    »Niké-der-Steuermann ist ein Ziegenficker«, verkündete der Mann strahlend. »Das ist hier die vierte Wand, auf die ich es geschrieben habe.« Er grinste und verzierte sein Werk noch mit einem weiteren Schnörkel.
    Sorren hielt sich an die angegebene Richtung. Sie überlegte sich, wer Niké-der-Steuermann sein mochte. Als sie dann die Schiffsgleitbahn erreicht hatte, zögerte sie, ehe sie auf den freien Platz trat. Die Jalarwachen, die auf dem Gehsteig herumlungerten, trugen Mäntel über ihren gelben Hemden. Die lärmenden Geräusche aus dem Schiffsrumpf erschienen ihr noch lauter als am Tag zuvor.
    Auf dem Brettersteig saß Kadra wie ein Sack voller Kohlen, ganz fest eingewickelt in seinen/ihren dreckdunklen Mantel. Jeshim war nirgends zu sehen, und Sorren fragte sich, wo er sich herumtreiben mochte. Dann trat sie auf Kadra zu. Die ghya hatte Schlamm im dunklen Kraushaar. Sie schläft am Strand, dachte Sorren. Die Kleider stanken nach Seetang und Wein.
    Die Ghya blickte auf. »Du schon wieder. Dein Freund ist nicht da.«
    Sorren setzte sich unaufgefordert nieder. Die Planken des Steigs waren warm. Sie ließ die Beine über den Rand baumeln. »Ich bin gekommen, weil ich mit dir reden möchte, nicht mit Jeshim.«
    »Mit mir?« Kadra blickte finster. »Hat Norres dich hergeschickt?«
    »Keiner hat mich geschickt. Ich bin beim Einkaufen – ich meine, um diese Tageszeit gehe ich immer die Einkäufe für das Haus erledigen. Keiner weiß, daß ich hier bin.«
    Kadra gähnte und rieb sich mit einer flachen Hand übers Gesicht. »Was meinst du denn damit, daß du mit mir reden willst?«
    Sorren schluckte. »Du warst mal eine Botin.«
    »Ja.«
    »Bist du je in den Norden gekommen? Bis zu den Grenzfesten?«
    Kadra zog die Knie hoch und stützte sich mit dem Kinn auf sie. »Oft genug.«
    Sorren stieß heftig die Luft aus. Sie hatte den Atem angehalten. Sie hatte befürchtet – ja, es war töricht! –, daß es die Grenzfesten nicht mehr geben könne, oder daß sie alle leerstehen könnten, Ruinen wären, vom Erdboden verschwunden, und daß ihre Träume ein Nichts waren, eine Illusion, Vergangenheit. »Magst du mir von ihnen erzählen?« bat sie. »Wie man zu ihnen gelangt, wer dort wohnt, wie sie aussehen – all sowas?«
    »Du brauchst nicht mich«, sagte Kadra. »Was du brauchst, ist ein Gelehrter.«
    »Nein«, sagte Sorren, »die Gelehrten kennen die Geschichte. Aber ich will ... ich will wirkliche Dinge

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