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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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riß sie eine flache Silberflasche aus der Tasche und hielt sie schräg über den Mund. Ein Rinnsal lief ihr übers Kinn, und sie wischte es mit der flachen Hand fort.
    »Wir sind hier nicht auf dem Hügel der Med. Was treibst du hier?«
    Sorren stellte die Stacheln auf. »Das geht dich ja wohl kaum etwas an.«
    Kadra blickte sie flüchtig an. »Nein, wahrscheinlich nicht. Wie nett von dir, mich darauf hinzuweisen.«
    Sorren errötete. »Ich wollte nicht grob sein.«
    »Wie alt bist du?«
    Sorren verabscheute es, Leuten ihr Alter verraten zu müssen. »Siebzehn.«
    »Also noch ein Säugling.«
    Sorren biß die Zähne zusammen, um nicht antworten zu müssen. Kadra beobachtete sie und nickte dann, als freue sie der Anblick. Sie hob erneut die Flasche an die Lippen.
    »Leer. Verdammt!« Sie schüttelte das Gefäß.
    Sorren fragte: »Arbeitest du auf den Docks?«
    Kadra lachte. Es war nicht gerade ein heiteres Lachen. »Nein.« Sie faßte an ihren Mantel, er glitt zur Seite und enthüllte etwas metallisch Glitzerndes unter ihm. »Ich war einst Bote.«
    Sorren schaute sich den Mantel genau an. Unter Schichten von Dreck schimmerte ein Hauch von Grün durch. Das Metall konnte eine Schnalle oder ein Knopf gewesen sein, aber Sorren glaubte es eigentlich nicht so recht.
    Nur die Boten besaßen das Recht, außerhalb der eigenen Wände Grün zu tragen. Die Farbe bahnte ihnen den Weg vor allen anderen, einschließlich der Sänften der Reichen. Die Leute vom Grünen Clan hielten sich zu ihresgleichen, dennoch hatte Sorren den einen oder anderen auf dem Hügel getroffen. Sie waren es, die die Erlasse des Rates der Häuser oder Anträge anderer Städte an den Rat austrugen und überbrachten, auch Botschaften zu den Asechvölkern und nach Anhard beförderten sie.
    »Warst du krank?« fragte sie.
    »Ich bin gefallen«, sagte Kadra, »und habe mir das Hüftgelenk gebrochen. Ich kann nicht mehr reiten.«
    »Bist du lange ein Bote gewesen?«
    »Zehn Jahre«, sagte Kadra. »Warum?«
    Sorren begriff, daß sie schon wieder grob unhöflich gewesen war. »Ich bin nur neugierig«, sagte sie.
    »Wer zuviel fragt, kann sich in Schwierigkeiten bringen!«
    »Ich hab' doch nur freundlich sein wollen ...« Sie sprach zu Kadras Rücken. Die Frau war an ihr vorbeigestrichen und ging nun auf dem Holzsteig zur Straße hinauf. Links hinkte sie. Der Gedanke, der in Sorrens Hinterkopf aufgetaucht war, kam nun schlängelnd an die Oberfläche: Eine Botin, dachte sie, die muß doch etwas über den Norden wissen.
    Als Kadra an Jeshim vorbeikam, stemmte er sich auf die Beine. Er kam zu Sorren herübergeschwankt und begann wieder seine Arme um sie zu legen. Sie stieß ihn mit dem Ellbogen fort. Leicht, ohne Nachdruck.
    »Autsch!« Er rieb sich theatralisch die Rippen.
    »Mach das nicht!« Sie sah, wie Kadra zwischen zwei Gebäude hinkte und dort verschwand. Ein Bote würde ihr sagen können, welche Straßen sie einschlagen mußte, wenn sie in den Norden reisen wollte, und wann die beste Zeit für die Fahrt sein würde.
    »Rauch doch noch ein bißchen mit mir!«
    »Ich kann nicht, Jeshim. Ich muß zum Haus zurück.«
    Der Gaukler zuckte die Achseln. Er holte drei rote Bälle aus der Tasche und ließ sie durch die Luft wirbeln. Sie schienen dabei kaum seine Hände zu berühren. »Dem Humpelbein hast du aber 'ne Menge zu sagen gehabt. Ist der 'n Freund von dir?«
    »Nein«, sagte Sorren. »Wir haben uns eben zum erstenmal gesehen. Aber warum nennst du sie ›der‹? Sie ist doch eine Frau!«
    Jeshim grinste hinter seinen wirbelnden Bällen. »Hat Humpelmann das gesagt?«
    »Nicht deutlich. Sie hat gesagt ...« Sorren versuchte sich an die genauen Worte Kadras zu erinnern.
    »Und das stimmt genau«, sagte Jeshim. »Denn Kadra ist nicht so recht eine Frau, aber ein Mann ist sie auch nicht richtig. Sie ist beides, oder keins von beidem, wenn dir das lieber ist. Er ist ein ghya. Er hat die männlichen und die weiblichen Geschlechtsteile.« Er schien großen Spaß an seiner Erklärung zu haben, oder vielleicht war es ja auch nur Erleichterung darüber, daß er selber normal und keine Mißgeburt war.
    »Woher weißt du das?« fragte Sorren.
    »Ach, das weiß doch jeder. Es ist kein Geheimnis.« Er ließ die roten Bälle verschwinden und tat dann so, als pflücke er einen aus seinem Haar und einen zweiten aus seinem Mund. »Halt still, da ist er schon!« sagte er lachend und griff Sorren in den Ausschnitt.
    »Finger weg!« Sie schlug ihm auf die Hand. Der Ball fiel auf

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