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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Augen wurden schmal, und ihre Hand krümmte sich erneut um die Flasche. »Warum trinkst du nicht?«
    »Ich mag nichts, danke.«
    »Schlechte Manieren!« Die Worte klangen beinahe höhnisch. »Schlechte Manieren und Fragen. Wer hat dir solch ein feines Betragen beigebracht?«
    »Arré Med«, sagte Sorren.
    »Hah!« sagte Kadra und trank wieder. »Du weißt, wie sie sie nennen, hier unten auf den Docks? Sie und die anderen, die wie sie sind?«
    Sorren wußte es. »Eine Renommierpute.«
    »Wie ist sie denn so?«
    Sorren zog angestrengt die Brauen zusammen. Wie konnte sie erklären, wie Arré war. »Sie ist sehr freundlich zu mir gewesen«, sagte sie.
    Die Tür ging auf, und zwei Jalarwachtposten kamen herein. Sie setzten sich an einen Tisch im vorderen Teil des Raumes. Sie starrten mit gleichgültiger Arroganz herüber. Sorren fand, daß sie sie allzu lange anstarrten. Es gab außer ihr keine Leibeigenen in der Taverne, jedenfalls sah sie keine.
    Ihre Arme prickelten, und sie rieb sie. »Mir gefällt es hier nicht besonders«, sagte sie.
    »Ich finde es abscheulich«, sagte Kadra und trank. »Ich hasse Städte. Man verweichlicht. Und zu viele Leute – und zuwenig Platz. Zusammengedrückte winzige Häuser, vollgestopfte Straßen, verkrampfte Gehirne.« Ihre Stimme war lauter geworden.
    Die Wachen starrten sie an. Mit jenem argwöhnischem Blick, den Schutzleute so an sich haben. »Das habe ich nicht gemeint«, sagte Sorren. Sie klopfte auf den Tisch. »Ich mag dieses Lokal hier nicht. Können wir nicht woanders hingehen?« Und während sie es sagte, erinnerte sie sich, daß Kadra eine Behinderung hatte. Vielleicht bereitete es ihr Schmerzen, gehen zu müssen. Doch die Ghya stand bereits auf den Beinen, und so folgte Sorren ihr nach draußen. Die Frau im Lederschurz schaute ihrem Weggang nach, starr wie eine Statue im Rahmen der offenen Küchentür.
    Kadra bog wieder zur Werft zurück. »Komm mit«, befahl sie. »Komm, schauen wir uns das Schiff an!« Sorren hatte zwar wenig Interesse an dem Schiff, doch ging sie mit. Sie kletterten in die Grube hinab. Der Schlamm war kühl und feucht und schmatzte unter den Sandalen.
    Als sie angelangt waren, begann Kadra zu husten, schwer und stoßartig, und es klang, als zerreiße es ihr die Brust. »Willst du dich nicht ein bißchen ausruhen?« bat Sorren. Aber die Ghya beachtete sie nicht. Ringsum lagen Wollballen auf dem Schlick. »Wozu ist die Wolle?« fragte Sorren.
    »Zum Kalfatern«, sagte Kadra. »Sie tunken die Wolle in geschmolzenes Wachs und stopfen sie dann in Strängen in die Ritzen zwischen den Planken.«
    Das Schiff war viel größer als die Fischerboote, das konnte sogar Sorren, die nichts über Boote wußte, erkennen. Sie starrte das große Skelett an. »Wozu bauen sie es – das Schiff?«
    »Es wird nach Süden fahren«, sagte Kadra und winkte mit einem Arm aufs Meer hinaus. »Fort von der Küste, fort von den Städten, um neue Länder zu entdecken.« Sie beschattete sich die Augen. Nebelbahnen verhinderten, daß Sorren sah, was die Menschen auf dem Schiff taten.
    »Sind die Seeleute?« fragte sie.
    »Nein. Das sind Zimmerleute, Segelmacher, Taudreher. Die meisten davon sind ihr Lebtag lang noch nie außer Sichtweite von der Küste fortgekommen. Man wird eine Mannschaft anheuern, wenn das Schiff fertig ist.«
    »Und wenn keiner mitfahren will?«
    Kadra lächelte. »Jemand wird schon wollen«, sagte sie, und der Blick, mit dem sie das Schiff anschaute, war der eines Liebenden seinem geliebten Gegenstand gegenüber.
    »Du willst mit!«
    Kadra rutschte in dem trügerischen Schlick aus. Ihr dunkles Gesicht verzog sich vor Schmerz – oder vor Sehnsucht. »Ja, das will ich. Oh, Wächter, das will ich!«
    Sorren versuchte sich auszumalen, wie es sein würde, wenn man sich solch einer kleinen Holzschachtel anvertraute, die dann mitten in all dem vielen Wasser trieb. Sie schauderte. »Wann wird es losfahren?«
    »Wenn es fertig ist.«
    »Wem gehört es?«
    »Den Jalaras und den Isaras.«
    Sorren überlegte sich, ob Arré wohl von dem Schiff wußte. »Du willst auch aus dieser Stadt weg«, sagte sie zu Kadra. »Hast du dich deswegen bereiterklärt, mit mir zu reden?«
    Kadra setzte sich in den Schlamm. »So ist es. Ich werde dir die Straße nennen, die du am besten nach Norden nimmst. Was für Reisekleider du brauchst. Welche Ortschaften du meiden mußt. Weil, wenn ich dir helfe, dann wird mir der Wächter vielleicht zu einem Platz an Bord dieses Schiffes verhelfen.«
    Sorren

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