Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
war es zuviel, daß ein Jerrin-no-Dovria i Elath sich so herablassend über ihren Bruder äußerte. »Er ist mehr als nur sehr gut«, sagte sie schroff. »Er hat das Recht, die shariza zu tragen, und das hat kein anderer Tänzer sonst, hier in dieser Stadt!«
»So ist es«, sagte Jerrin. »Du preisest ihn – und dennoch, glaube ich, herrscht wenig Eintracht zwischen euch.«
»Das ist wahr«, sagte Arré. Manche Leute behaupteten, die Hexer wüßten alles. Arré bezweifelte dies zwar, doch war sie sicher, daß Kim Batto dem L'hel alles berichtet hatte, was er über die Med-Familie wußte, zu wissen glaubte oder vermutete, einschließlich der Tatsache, daß Bruder und Schwester einander verabscheuten und daß Isak sich niemals an die Tatsache gewöhnt hatte, daß Arré, und nicht er selbst, in die Fußstapfen ihrer toten Mutter getreten war.
»Doch es ist Anlaß für eine gewisse Besorgnis meinerseits«, sagte Jerrin, »daß und wenn Familien, insbesondere solche von Adel, in Unzufriedenheit miteinander stehen.«
»Oh?« machte Arré.
»Als Beispiel«, fuhr Jerrin fort, »ich habe vernommen, daß du Einwände hast gegen die Verleihung eines Ratssitzes an das Haus Jalar und das Haus Ismenin. Darf ich nach deinen Gründen fragen?«
»Es ist nicht der Brauch, daß Ratsangelegenheiten außerhalb des Rates diskutiert werden«, erwiderte Arré.
Jerrin lächelte. »Doch du wirst es mir sagen«, und seine Stimme klang sahnig, »es sei denn, du ziehst es vor, daß ich es von Kim Batto erfahre ...«
Arré legte die Hände ineinander. Ihr Hintern tat ihr weh, und sie wünschte, sie säße auf einem Kissen und im Schatten. »Ich habe keine Einwände gegen die Aufnahme der Jaralas in die Ratsversammlung«, sagte sie. »Aber ich stimme gegen die der Ismeninas, weil sie jung und voller Ehrgeiz sind und weil man ihnen nicht trauen kann.«
Der L'hel schob die Lippen vor. »Vielleicht würde es leichter werden, sie im Rat unter Kontrolle zu halten.«
»Dafür gibt mir niemand eine Garantie«, sagte Arré mit Nachdruck, »und sie erhielten dadurch Zugang zu Machtfunktionen, die sie jetzt nicht besitzen. Ich glaube eben, sie und die Stadt fahren besser ohne diesen Einfluß.«
Die Frau zu Jerrins Füßen sagte leise: »Warum glaubst du, man dürfe den Ismeninas nicht trauen, Arré Med?«
Arré drehte ihr mit Facetten verziertes Glas in den Händen. »Weil ich glaube, daß sie dafür verantwortlich sind, daß es derzeit wieder Schwerter in der Stadt gibt.«
»Hast du dafür Beweise?« fragte Senta.
»Nein. Aber überlegt doch! Erstens: die Ismeninas sind im Besitz der Eisenerzlager, die man westlich von Shanan entdeckt hat. Zweitens: Auf dem Waffenhof der Ismeninas wird die Schwerttechnik exerziert. Drittens: Die Brüder Ismenin kämpfen gern. Und das ist in der ganzen Stadt wohlbekannt. Sie sind keine friedfertige Familie.«
»Das alles weiß ich«, sagte Jerrin. »Aber ich weiß auch, daß die Ismeninas nicht die einzige Familie hier sind, auf deren Waffenhof die Schwertkunst gelehrt wird. Zumindest ein weiteres Adelshaus hegt Pläne, desgleichen zu tun.« Er lächelte.
»Oh, ich gebe es zu«, sagte Arré. »Aber ich bin sicher, du verstehst den Grund. Ich wäre überglücklich, den Befehl an meinen Hofmeister rückgängig zu machen, wenn Ron Ismenin das Ausbildungstraining in seinem Hof unterbindet.«
»Ich bezweifle, daß er das tun wird«, sagte Jerrin.
Arré fuhr fort: »Doch ich bin nicht hierhergekommen, um die Ismeninas irgendeines Vergehens zu beschuldigen, wenn es auch so klingen mag. Ich bin gekommen, um den Tanjo und den Weißen Clan zu fragen, was der Weiße Clan gegen die Schwerter in der Stadt zu unternehmen gedenkt.«
»Was der Weiße Clan zu unternehmen gedenkt?« fragte Senta. »Oder was der Weiße Clan wünscht, daß der Rat tue?«
»Der Rat würde sich niemals anmaßen, dem Weißen Clan Vorschriften zu machen«, sagte Arré. »Beabsichtigt der Weiße Clan, dem Rat vorzuschreiben, was er zu tun habe?«
»Nein«, sagte Senta. »Doch wenn der Weiße Clan Sitz und Stimme im Rat besäße, dann könnten beide gemeinsam handeln.«
Arré hatte nicht damit gerechnet, daß die Unterhaltung sich dahin wenden würde, aber die Einwände hierauf waren in ihrem Hirn fest eingebrannt. »Es gibt zwei gute Gründe, warum der Rat es ablehnt, den Weißen Clan aufzunehmen. Der erste ist eine Frage der Funktion. Der Weiße Clan betreibt die Heilkunst, macht Wetter und findet die Wahrheit heraus: diese sind seine
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