Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
Eisenhand plant. Schafft ihr es, wieder auf die Beine zu kommen?«
Kai und Fi nickten und stemmten sich hoch. Kai wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als ein heißes Bad und trockene Kleider. Nicht zuletzt vermisste er seine Stiefel, die er beim Kampf gegen den Hammar zurücklassen musste. »Also, dann treffen wir uns spätestens kurz nach Sonnenuntergang bei mir in der Windmachergasse«, schlug der Zauberer vor. »Fi, du meldest dich natürlich, sollte es dir vorher gelingen, Koggs zu finden.«
Die Elfe nickte.
Dystariel breitete ihre Schwingen aus und stieß sich in den Nachthimmel ab. Kurz darauf war sie jenseits der Hausdächer verschwunden. Auch Fi verabschiedete sich und trottete erschöpft davon. Kai seufzte. Er bot dem Zauberer nun wieder seine Schulter an, ein Angebot, dass dieser angesichts seines desolaten Zustands gerne annahm. Wenig später hatte Kai den Hinterhof mit dem alten Brunnenschacht verlassen, um sich mit Eulertins Hilfe durch das Straßen- und Gassengewirr zur Windmachergasse durchzuschlagen. Bäcker, Dienstmägde und die ersten Brauergesellen waren zu dieser frühen Stunde bereits auf den Beinen. Alles um sie herum deutete auf einen ganz gewöhnlichen Tag hin. Doch Kai erschien das frühmorgendliche Treiben wie eine Theaterkulisse, die nur mit Mühe das wahre Bild der Stadt überdecken konnte. Und dieses war in den Farben der Finsternis gemalt.
Endlich erreichten er und Eulertin die Straße der Windmacher. Erfreut eilte Kai auf das Haus des Zunftmeisters zu - und hielt erschrocken inne. Auch der Magister setzte sich alarmiert auf: Die Irrlichtlaterne über dem Eingang war verschwunden! »Schnell, Junge!«, zischte der Däumling.
Kai schüttelte seine Erschöpfung ab und rannte auf das Gebäude zu. Nicht nur die Laterne fehlte, auch die Haustür stand einen Spaltbreit offen. Wachsam schob sich Kai in die Eingangshalle und entdeckte, dass der Boden mit losen Pergamenten und Glassplittern übersät war. Die Spur zog sich zur offen stehenden Tür der Studierstube hin, die selbst auf die Entfernung so aussah, als sei ein Sturm durch sie hindurchgebraust. Bücher und Glasgeräte aus den Regalen lagen auf dem Boden, der Lehnstuhl mit dem Haus des Däumlings war umgestürzt, ebenso wie einige Truhen, die kopfüber im Zimmer standen.
Eulertin jagte von seiner Schulter aus zu den drei ausgestopften Tierköpfen an der Wand der Eingangshalle. Die Augen des Hirsches, des Schwertfisches und des Stiers waren geschlossen.
»Irgendjemand hat es geschafft, die Hauswächter zu bannen !«, zischte Eulertin beunruhigt. »Der oder die Elende muss Kenntnis von der Animus-Formel haben. Sie ist eigentlich mir als Zunftmeister vorbehalten.«
In diesem Moment war in der Studierstube ein leises Geräusch zu vernehmen. Der Däumlingszauberer wirbelte herum und augenblicklich leuchtete das Ende seines Zauberstabes auf.
»Der Eindringling ist noch im Haus«, flüsterte er. »Ich spüre ihn. Bleib hier und rühr dich nicht von der Stelle!«
Im nächsten Moment glitt der Magister durch die Halle in Richtung Studierstube. Kaum war er außer Sichtweite, als Kai fühlte, wie sich seine Nackenhärchen aufstellten. Quiiiitsss? Vielleicht konnte ihnen der Poltergeist berichten, was geschehen war. Kai drehte sich um und fuhr zusammen. Mit einem Fauchen jagte aus dem Erker ein dunkles Phantom auf ihn zu. Es glich einem menschlichen Schatten mit fahlen Augen und weit von sich gestreckten Armen.
»Magister!« Kai schrie und hechtete zur Seite. Ein bitterkalter Hauch streifte ihn, dann war das dunkle Etwas vorbei und an der Ausgangstür. Kai rappelte sich wieder auf und beschwor einen Feuerwusel. Doch aufgrund seiner geschwächten Kräfte erschien das Elementar viel zu spät. Als es sich materialisierte, war das Phantom längst auf die Straße entschwunden.
Etwas war seltsam an ihm gewesen. Nur was ?
»Was ist los?«, war die Stimme des Magisters zu hören. Der Däumling sauste auf seinem Gänsekiel kampfbereit in die Halle zurück und sah sich alarmiert um. »Der Eindringling!«, rief Kai. »Er ist eben an mir vorbei zur Tür. Er hatte sich im Treppenaufgang versteckt. Es war jener Schatten, den ich schon bei unserem Kampf unter der Ruine gesehen habe.«
Eulertin stieß einen leisen Fluch aus und sauste nun ebenfalls nach draußen. Kai folgte ihm und gemeinsam sahen sie sich in der Gasse um.
Der komplette Straßenzug mit seinen im Wind schaukelnden Ladenschildern war noch immer in Dämmerlicht gehüllt.
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