Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
Und ich hätte nie erfahren, dass Fi ein Vertrauter von Koggs ist. Bis heute hätte ich nicht einmal gewusst, in welcher Verbindung Ihr zu ihnen steht. Ich habe in den letzten Wochen so hart an mir gearbeitet, aber trotzdem weiht ihr mich in keinen Eurer Pläne ein. Dabei war ich von Anfang an mit dabei. Ihr erzählt mir ja nicht einmal, wie es um mich steht. Und das, obwohl ich daran schuld bin, dass meine Großmutter tot ist.« Kai blinzelte eine Träne in seinen Augen weg. »Und da habe ich eben beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Und mit dieser Tür mit den Symbolen habe ich halt den Anfang gemacht.«
Das war zwar nur die halbe Wahrheit, aber immerhin.
Kai wartete auf ein neuerliches Donnerwetter von Magister Eulertin, doch der schwieg. Ruhig schwebte der Däumling auf seinem Federkiel zu Boden und setzte sich im Schneidersitz vor ihn hin.
»Ach«, seufzte der kleine Zauberer und schaute betrübt zu ihm auf. »Kai, ich bin nicht dein Feind. Mir scheint, du hast das bei alledem vergessen.«
Kai presste verstockt die Lippen aufeinander, und so fuhr der Däumling fort. »Wenn ich dich bitte, gewisse Räume nicht zu betreten, dann deswegen, weil ich mir Sorgen um dich mache. Ich habe wohl versäumt, dir zu berichten, dass wir im ehemaligen Haus von Morbus Finsterkrähe leben.«
»Was?« Kai starrte den Däumling entgeistert an. Viele der Seltsamkeiten in dem Gebäude ergaben mit einem Mal einen Sinn. Hatte ihm Quiiiitsss nicht berichtet, dass er vom letzten Besitzer dieses Gebäudes in seine Dienste gepresst worden sei? Und dann die seltsame Uhr. Oder die Dinge, die hier oben auf dem Dachboden standen. »Dann gehörte das alles hier dem Hexenmeister?«
»Vieles«, antwortete der Däumlingszauberer, »aber nicht alles. Nehmen wir zum Beispiel das Zimmer mit den Schuhen. Es handelt sich bei ihm um die wandelnde Kammer. Sie wurde nicht von Morbus Finsterkrähe erschaffen, sondern von einem der früheren Besitzer dieses Hauses. Sie vermag ihre Benutzer an seltsame Orte zu führen. Manche davon sind überaus gefährlich und einige von ihnen liegen sogar in weiter Ferne. Die meisten allerdings sind hier im Haus. Sei nur froh, dass du nicht in den Keller geraten bist.« Eulertin seufzte und brachte das Pulsieren am Ende seines Stabes zum Erlöschen. »Es heißt, die wandelnde Kammer sei bereits für das spurlose Verschwinden zweier Hausbewohner verantwortlich.«
Kai stöhnte leise, und Eulertin fuhr fort. »Der Raum besitzt seinen eigenen Willen und einen mehr als seltsamen Humor. Eigentlich hatte ich Quiiiitsss bei deiner Ankunft angewiesen, das Zimmer zu versiegeln. Ich hätte wohl hinzufügen müssen, wann dies geschehen sollte. Bei ihm muss man leider jedes Wort auf die Goldwaage legen.« Der ruhige Tonfall, den der Magister angeschlagen hatte, ließ deutlich erkennen, dass er sich wirklich um ihn sorgte.
»Es tut mir Leid«, stammelte Kai.
»Es gibt da vielleicht noch eine andere Sache, die du wissen solltest«, führte Eulertin weiter aus. »Du bist nicht der erste Zauberlehrling, den ich ausgebildet habe. Vor achtzig Jahren habe ich einen Däumlingsjungen namens Flux aufgenommen. Er war außerordentlich begabt. Ich hatte ihm freien Zugang zu meinen Büchern gewährt und eines Tages versuchte er sich an einem Schwebetrank. Er gelang ihm vortrefflich. Leider konnte er nicht damit warten, ihn auszuprobieren, bis ich ihm die Erlaubnis dazu gab. Er tat es, während ich fort war. Es hat ihn umgebracht. Er ist hoch zum Himmel aufgestiegen und dort wurde er von einem Mäusebussard gerissen.«
Kai richtete sich schockiert auf. »Ein Mäusebussard?«
»Ja«, erklärte der Däumling mit großem Ernst. »Diese Vögel sind erbitterte Feinde meines Volkes. Ebenso wie Wanderratten und Warzenmaulwürfe. Wenn ich heute also die Neigung habe, mein Wissen nur sehr vorsichtig weiterzugeben, dann deswegen, um ein Unglück wie jenes vor achtzig Jahren auszuschließen. Leider muss ich jetzt einsehen, dass ich damit das Gleiche bewirkt habe.«
Kai bereute sein Handeln nun noch mehr. Er war zu dem Zauberer ebenso ungerecht gewesen wie damals zu seiner Großmutter. Er würde nie vergessen können, wie hochmütig er sich ihr gegenüber am Abend des Sternschnuppenfests verhalten hatte. Und jetzt log er schon wieder.
»Magister«, flüsterte er betreten. »Ich hab Euch nicht die ganze Wahrheit erzählt. Tatsächlich war ich in der wandelnden Kammer, weil ich Euch und Dystariel belauschen wollte. Ich denke, Ihr
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