Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
solltet das wissen. Ich war so verärgert, weil Ihr mir nicht gesagt habt, wohin es morgen geht. Wenn Ihr jetzt überhaupt noch irgendwo mit mir hingehen wollt. . . «
Magister Eulertin sah ihn nachdenklich an. »Dies scheint die Nacht der unbequemen Wahrheiten zu werden, was?«
Kai zuckte hilflos mit den Schultern.
Ein Schmunzeln huschte über Eulertins Gesicht. »Gut, vergeben und vergessen. Beginnen wir beide einfach von vorn, in Ordnung? Von nun an fragst du mich, wenn du etwas wissen willst. Dafür versprichst du mir, dass du mehr Vertrauen hast, wenn ich mich zu bestimmten Themen nicht näher auslasse.«
»Versprochen«, sagte Kai und atmete erleichtert aus. »Verratet Ihr mir jetzt, wo es morgen hingeht?«
»Wir reisen zur Kaverne der Winde«, antwortete Eulertin zögernd. »Du wirst es vielleicht nicht bemerkt haben, aber dein Zustand, wenn man ihn so nennen will, scheint sich stabilisiert zu haben. Obwohl du gestern Nacht deine Kräfte an gerufen hast, war keine intensivere Behandlung mit Gewitteregeln nötig als in den Tagen zuvor. Das scheint mir ein gutes Zeichen. Es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun. Wir werden es mit einer elementaren Versiegelung probieren.« »Einer was?« »Hm, schwierig zu erklären«, brummte der Däumling und schien kurz über Kais Schulter zu blicken. »Es reicht fürs Erste zu wissen, dass alles Stoffliche, also auch du und ich, aus den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde besteht. Bei dem einen ist das eine Element stärker ausgeprägt, bei dem anderen das andere. Die magischen Kräfte in dir haben diese Elemente durcheinander gebracht und dir Schaden zugefügt. Obwohl du Fortschritte gemacht hast, deinen Geist gegen diese Kraft zu wappnen, wird es dir ohne fremde Hilfe nicht gelingen, diesen Schaden zu beheben. Wir müssen ein Heilmittel besorgen. In jedem Fall musst du dich darauf gefasst machen, einen neuerlichen Kampf durchzustehen. Ich kann nur hoffen, dass du inzwischen stark genug dafür bist.«
»Meintet Ihr das, als Ihr zu Dystariel sagtet, Ihr könntet mir nicht helfen?« Eulertin hob mahnend einen seiner winzigen Finger. »Das kommt davon, wenn man lauscht und nur die Hälfte mitbekommt. Nein, das meinte ich nicht. Diese Bemerkung bezog sich auf etwas anderes. Es hat damit zu tun, welches der Elemente dir am nächsten steht. Für einen Zauberer hat das wichtige Konsequenzen. Du besitzt ein aufbrausendes Wesen. Das könnte auf Luft hindeuten. Aber über diese Frage herrscht bei uns keine Einigkeit ... Noch ist es zu früh, etwas dazu zu sagen.«
Kai schaute den Magister fragend an. »Uns? Ihr meint damit sicher Dystariel, richtig? Wollt Ihr mir nicht verraten, wer sie in Wahrheit ist? Versteht mich bitte nicht falsch, aber im Kaleidoskop der heimlichen und unheimlichen Kreaturen habe ich keinen Eintrag über jemanden wie sie gefunden.«
»Oho«, meinte Eulertin spöttisch und schwebte auf seiner Feder wieder auf die Höhe von Kais Kopf. »Jetzt verstehe ich, warum du das Buch ein paar Tage länger behalten wolltest. Aber warum fragst du das nicht Dystariel selbst ? Sie steht hinter dir.« Kai sprang entsetzt auf und wirbelte herum. Doch nirgends war die Unheimliche zu sehen. Das Einzige, was er erblickte, war eine Statue mit gedrungenen Flügeln, die jenseits des Richtklotzes mit der großen Axt stand.
»Äh, wo denn?«, fragte Kai.
In diesem Augenblick öffnete die Statue ihre Augen und bewegte sich mit einem knirschenden Geräusch. Kai wich erschrocken einen Schritt zurück.
»Überrascht?« Dystariel wandte sich Eulertin zu. »Tut mir Leid, Thadäus. Ich war bereits unten am Hafen, als mich dein Ruf erreichte. Ich bin sofort losgeflogen. Aber wie mir scheint, hast du die Situation unter Kontrolle.«
»Ja, kann man so sagen.« Der Magister nickte. »Er war in der wandelnden Kammer, wenn du verstehst.«
»Aber sicher«, knurrte die Unheimliche. »Ich stehe hier schon etwas länger.« »Ah ja«, murmelte Eulertin und kratzte sich am Backenbart. »Also, wie steht es ? Möchtest du dem jungen Mann die Frage selbst beantworten?«
Dystariels massige Gestalt richtete sich auf, bis sie mit dem Kopf gegen eine der Glaskugeln stieß. Als sie schließlich ins Dämmerlicht der Wolfsmaske trat, stolperte Kai, bis er den Kamin in seinem Rücken spürte.
Dystariels Antlitz glich einer diabolischen Fratze mit gelben, lauernden Raubtieraugen, eckigem Kinn, hohen Wangenknochen und zwei kleinen Hörnern, die über der Stirn aufragten. Wo sich Ohren
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