Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
vielleicht noch nicht.«
»Bitte erklärt mir, was es mit dem Raub dieses Feenkristalls auf sich hat. Diese Schiffsladung aus Berchtis' Zauberreich, von der Ihr spracht?«
»Die Windmacher der Stadt formen aus dem Kristall Gefäße, in welchen sie Luft- und Wasserelementare bannen«, antwortete der Zauberer. »Es wird in den Kristallgärten der Feenkönigin gezüchtet. Wie dieser Raub allerdings in Zusammenhang mit den anderen Vorfällen steht, vermag ich nicht zu sagen. Es ist ein weiteres Rätsel, das wir lösen müssen.«
»Besteht diese Zauberkugel dort ebenfalls aus Feenkristall?« Kai deutete auf das eigentümliche Artefakt, in dem nun wieder Schlieren wallten.
»Nein«, erklärte Magister Eulertin finster und hob mit einer winzigen Bewegung seines Stabes das am Boden liegende Tuch an, um es wieder über die Kugel zu werfen. »Diese Bergaugen sind sehr selten. Sie entstammen Kristalladern von absoluter Reinheit, die so tief im Gebirge liegen, dass üblicherweise nur die Zwerge zu ihnen vordringen können. Sei froh, dass du diese Kugel nicht angefasst hast. Sie hätte dich umgebracht.« »Wie meint Ihr das?«, erwiderte Kai unsicher. »Ich gebe zu, am Anfang war es schon etwas unangenehm. Meine Hand stand plötzlich in Flammen, aber . . . « »Bei allen Winden des Nordmeeres! Du hast das vermaledeite Ding berührt?« »Ja.« Kai starrte den Magister unsicher an. »Wie gesagt, am Anfang war es etwas unangenehm, aber dann erschienen in ihr diese Bilder.«
Kai hatte den Magister noch nie so aufgeregt gesehen. Hektisch schwebte dieser vor seiner Brust auf und ab und sauste dann in die Nähe der Zauberkugel, um das Objekt unter dem Tuch näher ins Auge zu fassen.
»Das kann nicht sein«, rief Eulertin noch immer ungläubig. »Die Kugel ist mit einem magischen Bann belegt, den ich bislang nicht brechen konnte. Ich fand sie in der Hinterlassenschaft Morbus Finsterkrähes. Der dunkle Schutzzauber, den er auf sie gewirkt hat, lässt es nicht zu, dass ein anderer als der Hexenmeister selbst sie benutzt.« »Das mag ja sein«, murmelte Kai kleinlaut, »aber ich habe Bilder darin gesehen.« Wie ein Pfeil schoss der Däumlingszauberer zu Kai zurück.
»Sag mir, was du darin gesehen hast.«
Kai tat es. Er begann bei dem Bild des Grabgewölbes und endete mit der Beschreibung jener Hexenküche, in der er Mort Eisenhand entdeckt hatte.
»Kai«, erklärte der Magister aufgebracht. »Diese Kugel vermag Bilder von fernen Orten zu zeigen. Allerdings begreife ich immer noch nicht, wie es dir gelungen ist, den Fluch zu umgehen. Und bevor ich das nicht herausgefunden habe, verbiete ich dir, diese Zauberkugel noch einmal zu benutzen. Hast du mich verstanden?«
Kai nickte betroffen.
»Davon abgesehen«, fuhr der Magister fort, »versuch dich an jedes Detail zu erinnern. Wenn es stimmt, was du sagst, hast du vielleicht einen Blick auf das Versteck Mort Eisenhands erhaschen können. So dicht waren wir ihm noch nie auf der Spur. Noch heute Nacht werde ich Koggs und Dystariel informieren. Vielleicht können sie etwas mit der Beschreibung anfangen. Und falls es uns tatsächlich gelingen sollte, seinen Unterschlupf aufzuspüren, dann, mein Junge«, Magister Eulertin ballte die winzigen Fäuste, »dann werden wir dem Finsteren einen Besuch abstatten, den er nicht so schnell vergessen wird.«
Die Kaverne der Winde
Als Kai am nächsten Morgen die Studierstube des Däumlingszauberers betrat, lachte die Sonne durch das schmale Fenster. Staubkörnchen tanzten in ihren Strahlen und selbst das Skelett der Seeschlange wirkte in ihrem goldenen Schein weniger Furcht einflößend als sonst.
»Magister? Wo seid Ihr?« Kais Blick wanderte suchend über die Regale mit den Büchern und Pergamentrollen, dann hinüber zum Schreibpult und blieb schließlich an der verriegelten Tür, die zum Geheimgang führte, hängen. Noch immer war er tief beeindruckt von dem, was er letzte Nacht erlebt und erfahren hatte. Vor allem aber war er froh, dass Magister Eulertin ihn nicht einfach mit Schimpf und Schande aus dem Haus gejagt hatte.
»Hier bin ich, mein Junge, hier!«
Auf dem klobigen Lehnstuhl stand wie immer das puppenhafte Haus des Zauberers. Die schrägen Strahlen der Sonne fielen direkt auf das rote Schindeldach und erst jetzt bemerkte Kai die Bewegung auf dem zerbrechlich wirkenden Balkon unter einer der Dachschrägen. Magister Eulertin stand dort in seinem blauen Zeremonialgewand und hielt eine winzige Gießkanne in Händen, mit der er einen
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