Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
Glutbecken mit Schürhaken und Brandeisen, auf einem Ständer lagen Daumenschrauben und Quetschstiefel, und in einem verstaubten Regal an der Wand standen Käfige, in denen die Überreste von Ratten lagen.
Kai starrte die Käfige verwirrt an.
»Man lässt die Tiere so lange hungern«, erklärte Gilraen mit tonloser Stimme, »bis sie fast rasend werden. Dann stellt man die Käfige auf den Körper des Opfers und zieht den Boden weg. Du kannst dir sicher vorstellen, was dann passiert...«
Schockiert starrte Kai seinen Begleiter an und fragte sich, woher er das wusste. Im selben Moment erinnerte er sich wieder an die grässlichen Narben des Elfen. Langsam begann er zu erahnen, was Gilraen durchlitten haben mochte.
Der Elf durchschritt das Gewölbe mit wenigen Schritten und trat mit erhobener Fackel an einen Stuhl mit hoher Lehne heran, auf dem eingesunken ein mumifizierter Leichnam saß. Seine Arme und Beine waren mit eisernen Klammern an den Stuhl geschnallt und noch immer zeugte das verzerrte Gesicht des Toten von den Qualen, die er vor seinem Tod erleiden musste. Erstaunt sah Kai, dass der Tote spitz zulaufende Ohrmuscheln besaß.
»Ein Elf?«, flüsterte er bestürzt.
Gilraen nickte finster und deutete zu einer halbrunden Nische an der Wand. Dort stand ein wackeliger Schreibtisch samt ausgetrocknetem Tintenfass. Ausgebreitet auf der Tischfläche lagen mehrere staubige Pergamente, die mit einer krakeligen Schrift beschrieben waren. Zuoberst lag die zittrige Zeichnung eines Objekts, das er nur zu gut kannte.
»Bei allen Moorgeistern, das ist doch der Glyndlamir!«
»Ich schließe aus dieser Bemerkung, dass dir Fi das Mondsilberamulett bereits gezeigt hat?«, sprach der Elf.
Kai nickte. »Ja. Aber wie kommt eine Zeichnung des Amuletts an diesen Ort?« »Es muss sich hierbei um so etwas wie ein Verhörprotokoll handeln.« Gilraen blickte zu dem mumifizierten Leichnam. »Er dort muss zu den Elfen gehört haben, die sich Sigur Drachenherz angeschlossen hatten, um Murgurak und seine lichtverdammten neun Albtraumungeheuer zu bezwingen. Der Glyndlamir hat bei dem damaligen Konflikt eine wichtige Rolle gespielt.« Kai sah interessiert auf und stellte sich so, dass er den mumifizierten Elfen nicht weiter anblicken musste. »Ich dachte, die Kräfte des Amuletts seien eher für Albions Gegenwart entscheidend?«
»Ja und nein«, murmelte Gilraen. »Der Glyndlamir ist ein Relikt aus den Schattenkriegen. Fi und ich sind zwar seine Hüter, aber wir besitzen nur wenige Kenntnisse darüber, welche Aufgabe ihm damals zukam. Fiadoras Mutter hatte vor unserer überstürzten Flucht aus den Mondsilberminen nicht genügend Zeit, uns in alle Geheimnisse einzuweihen.«
Kai runzelte die Stirn. »Fi sagte mir, dass das Amulett vom Elfenkönig persönlich gefertigt worden sei.«
»Ja«, Gilraen nickte. »Im Glyndlamir wirkt die Macht des Unendlichen Lichts. Avalaion selbst hat sie hineingebettet.«
»Fi hat mir davon erzählt, dass dieses Amulett dabei helfen könne, die Finsternis über Albion zu besiegen.«
»Ja, davon gehen wir aus«, sprach der Elf zögernd. »Die Prophezeiung lautet, dass einst die Schatten über Albion hereinbrechen werden. Die Macht des Glyndlamir sei dazu bestimmt, den Bund zwischen Menschen und Elfen zu erneuern, auf dass die Finsternis zurückgetrieben werden kann.«
»Und wie?«, fragte Kai gespannt.
»Mittels eines Liedes«, sprach der Elf geheimnisvoll, »und einer Flamme, so heiß wie die Glut der Drachen. Doch die Ewige Flamme Albions ist erloschen und vom alten Sonnenrat zeugen nur noch Ruinen. Fi klammert sich noch immer an die Hoffnung, dass es uns eines Tages gelingen wird, dieses Feuer erneut zu entfachen. Ich hingegen bezweifle, dass wir die Prophezeiung richtig interpretiert haben.« »Wieso?«
»In der Prophezeiung heißt es nicht ausdrücklich, dass all dies auf Albion selbst geschehen muss.« Der Elf deutete auf die Pergamente. »Kannst du die Schrift entziffern?«
»Ich kann es versuchen.« Der Zauberlehrling beugte sich über die Unterlagen und wollte eines der Pergamente verschieben, doch sofort bröselte der alte Bogen unter seiner Berührung auseinander.
»Mist!« Hastig zog Kai die Hand zurück.
Gut, dann konnte er eben nur das lesen, was offen vor ihm lag. Dummerweise war die Schrift in der alten Gelehrtensprache verfasst und stellenweise bis ins Unleserliche verblasst. Kai konzentrierte sich und kämpfte sich von Zeile zu Zeile.
»Es handelt sich bei den Aufzeichnungen
Weitere Kostenlose Bücher