Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
anderem übertönt. Es drang aus dem Kamin und klang so, als würden hunderte trockener Blätter vom Wind empor gewirbelt werden.
»Weg hier«, zischte er Olitrax zu, doch es war zu spät. Ein ganzer Schwärm untoter Raben brach aus der Kaminöffnung hervor.
Das räudige Gefieder der Vögel hob sich düster von dem bleichen Vogelgebein ab, und Kai schaffte gerade noch einen Schlag mit seinem Zauberstab, der einen der Angreifer gegen die Wand schmetterte. Schreiend schützte Kai seine Augen und wich vor dem Ansturm zurück. Nur am Rande bekam er mit, wie sich Olitrax auf die Angreifer stürzte, vor der flatternden und um sich beißenden Übermacht zurückwich und schließlich flüchtete. Kai taumelte rückwärts, als plötzlich der Boden unter ihm nachgab. Eine Falle! Mit diesem Gedanken stürzte er in die Tiefe.
Spiel mit der Angst
Kai schlitterte durch eine enge Röhre, schlug polternd gegen Steinwände, verletzte sich an rissigen Mauervorsprüngen und schlug schwer auf einem harten Untergrund auf.
Er stöhnte und sah für einige Momente nur bunte Sterne. Neben ihm klapperte es. Sein Zauberstab! Er musste mit ihm in die Tiefe gefallen sein.
Kai suchte den Boden ab und ertastete unter seinen Fingern Dreck und altes Stroh. Da war sein Zauberstab! Kai griff erleichtert danach und spürte Widerstand, als er ihn zu sich heranzog. Etwas klapperte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sich der Stab seltsam anfühlte.
Argwöhnisch ließ er los und besann sich auf seine Zauberkräfte. Er entzündete auf seiner Hand eine Flamme und schrie auf, als er das Skelett entdeckte, das er am Unterschenkelknochen gepackt und zu sich herangezogen hatte. Es lag auf den schimmeligen Überresten alten Strohs und war mit einem der knöchernen Arme an die Wand gekettet.
Verflucht, wo war er hier ?
Panisch kroch er von dem Knochenmann weg, suchte hektisch nach seinem Stab und fand ihn endlich. Kurz darauf züngelten an seinem Ende wieder Flammen empor. Um ihn herum enthüllten sich die rohen Mauern eines Verlieses. Über ihm, an der Decke des Kerkers, in unerreichbarer Höhe, gähnte die dunkle Öffnung eines Schachts.
Er richtete sich mühsam auf. Sein Körper war über und über mit blutigen Schrammen übersät, die er beim Sturz in die Tiefe abbekommen hatte. Es glich einem Wunder, dass er Rabenattacke und Sturz überlebt hatte. Hoffentlich war Olitrax entkommen. Schmerzlich spürte Kai, wie alleine er jetzt war.
Ein metallisches Glitzern zu seiner Linken erregte seine Aufmerksamkeit. Eine schmale Gittertür!
Kai humpelte auf den Ausgang zu und rüttelte vergeblich an den rostigen Stäben. Verzweifelt spähte er zwischen den Eisenstreben hindurch und sah, dass dahinter ein niedriger Gang lag, an dessen Ende steinerne Stufen nach oben führten. »Hilfe!«, brüllte er laut und rüttelte abermals an den Streben. »Hilfe!« Es war zwecklos. Niemand würde ihn hier unten hören.
Da vernahm er ein Geräusch! Eine Tür schrammte über den Steinboden. Flackernder Lichtschein fiel auf die Treppenstufen, jemand kam die Treppe herunter! Kai humpelte von dem Gitter zurück und hielt sich zauberbereit.
»Wer ist da?«, rief eine ihm vertraute Stimme. Es war Gilraen.
»Ich bin es!«, antwortete Kai erleichtert, ausnahmsweise einmal froh, den Elfen zu sehen. »Ich bin gefangen. Hol mich hier raus.«
»Du?«, fragte Gilraen ungläubig. »Bei Morgoyas Schattenmacht, du siehst aus, als habe dich eine Gargyle in die Mangel genommen. Wie kommst du hierher? Wir haben die ganze Zeit nach dir gesucht.« »Eine verdammte Falle«, rief Kai, während Gilraen einen rostigen Bund Schlüssel von einem Haken an der Wand nahm. Er probierte sie der Reihe nach aus, bis er den passenden fand. Unter knirschenden Lauten zog er die alte Eisentür auf. »Wo ist Fi?«, wollte Kai wissen.
»Sie ist verschwunden«, erwiderte Gilraen düster. »Wir haben uns nur kurz aus den Augen verloren und plötzlich war sie fort.«
Alarmiert sah Kai den Elfen an. »Hier im Turm lebt irgendetwas. Es lauert in den Wänden um uns herum.«
Ja«, flüsterte Gilraen. »Ich spüre es ebenfalls.« Er deutete mit dem Kinn Richtung Treppe. »Dort oben befindet sich eine Folterkammer. Da liegt etwas, auf das du unbedingt einen Blick werfen solltest.«
Tatsächlich erwartete sie am oberen Ende der Treppe eine düstere Kammer, die mit mannigfachen Folterwerkzeugen angefüllt war. An den Wänden hingen penibel aufgereiht eiserne Zangen, Bohrer und Sägen, in einer Ecke stand ein altes
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