Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
Greifennester drei große gesprenkelte Eier lagen.
War die Halle wirklich leer? Sie hatten doch vorhin ein schrilles Krächzen gehört. Auch Fi und Gilraen schauten sich immer wieder unruhig zu den Nestern um. Da war plötzlich das Quietschen eines Riegels zu vernehmen und die Tür zum Palas öffnete sich. Geschwind verteilten sich Fi, Kai und Gilraen und sprangen hinter den Felsen in Deckung. Der Einzige, der noch immer Hilfe suchend herumstand, war Magister Äschengrund. Schon im nächsten Augenblick wurde er von einer brausenden Luftgestalt gepackt und ebenfalls hinter einen der Felsen gezogen.
Drei Männer betraten die Halle. Zwei schleppten einen gewaltigen Reitsattel, der dritte war in ein schwarzes Gewand mit militärischen Rangabzeichen gekleidet und anhand seines Stabs leicht als Zauberer zu erkennen. Argwöhnisch blieben die drei Männer stehen und schauten sich um.
»Da war doch was, oder? Da hinten!«, sagte der Zauberer misstrauisch. »Wer sollte sich denn - von uns abgesehen - hier hereintrauen?«, meinte einer der beiden Greifenreiter.
Trotzdem ließen er und sein Kamerad den Sattel fallen und sie zogen angriffsbereit ihre Schwerter.
Der Zauberer streckte seine Hand aus und zwei grelle Lichtkugeln sausten durch den Stall und beleuchteten die schummrigen Ecken.
»Angriff!«, befahl Eulertin irgendwo über ihnen.
Ein jäher Wolkenwirbel manifestierte sich über einem der Greifennester und raste auf den fremden Zauberer zu. Der hob mit einer schnellen Bewegung seines Zauberstabes eines der Nester in die Luft und schleuderte es mit Macht in die Bahn des Luftwirbels. Das gewaltige Nest zerbarst und ein Regen aus Ästen ging nieder. Im nächsten Moment knackte es in den Felsen um sie herum und ein Hagel aus Gesteinssplittern raste auf den Däumlingsmagister zu.
Längst hatte Fi einen ihrer Pfeile abgefeuert, und einer der Greifenreiter knickte am Bein getroffen ein. Gilraen fegte wie ein Wirbelwind auf den zweiten Krieger zu, und Stahl verbiss sich in Stahl.
Kai beschwor einen seiner Kugelblitze herauf, der ebenso wie der zweite Pfeil Fis auf den fremden Magier zuraste. Der schützte sich mit einem Wirbel aus Steinen, der ihre Geschosse ablenkte. Der Kugelblitz explodierte, und der Zauberer fluchte aufgebracht. Gilraen überwand in diesem Moment seinen Gegner und rammte ihm unerbittlich die Klinge in die Brust.
»Weg da, ihr beiden!«, gellte die Stimme Eulertins durch die Halle, dem ein wütendes »Du hast es so gewollt!« folgte. Von seinem Zauberstab lösten sich eisblaue Blitze, die den schützenden Steinwirbel des gegnerischen Magiers durchschlugen und den Mann schreiend in die Knie gehen ließen.
Da ertönte ein schriller Pfiff. Der Zauberlehrling sah, dass der von Fi verletzte Greifenreiter mit dem Finger auf sie deutete.
Ein gellendes Kreischen hallte hinter ihnen von der Decke. Bei allen Moorgeistern, ein Greif!
Ein Löwenkörper mit Adlerkopf und riesigen Vogelschwingen jagte auf sie herab. Fi feuerte geistesgegenwärtig einen ihrer Pfeile ab und warf sich zur Seite, doch Kai blieb schreckensstarr stehen.
»Neiiiiin!« Plötzlich fühlte der Zauberlehrling, wie ihn Gilraen im letzten Moment zur Seite stieß. Da stürzte sich der Greif auch schon auf den Elfen. Ein hässliches Geräusch ertönte, das in dem Schlagen von großen Schwingen unterging. Immer wieder hackte die Bestie auf Gilraen ein, schließlich verbiss sie sich in ihn und schleuderte ihn mit einer ruckartigen Bewegung ihres Raubvogelkopfes gegen einen der Felsen. Eulertin, der den fremden Zauberer inzwischen niedergerungen hatte, beschwor umgehend zwei Luftelementare herauf, die den Greif an den Flügeln packten und zu Boden zerrten.
Auch Fi war aufgesprungen und hatte das Geschehen mit Tränen in den Augen verfolgt, doch als Kai einen weiteren Kugelblitz heraufbeschwor, hieß sie ihn innezuhalten. »Nicht!«, schluchzte sie mit Blick auf Gilraen, der zusammengekrümmt am Boden lag. »Lass nicht noch einen Unschuldigen sterben. Er beschützt doch bloß sein Nest...« Die Elfe begann stockend zu singen. Vorsichtig, Schritt für Schritt, trat sie mit ausgebreiteten Armen auf den Greif zu. Die gefährliche Kreatur krächzte und versuchte nach ihr zu schnappen. Doch die brausenden Elementare hielten ihn zurück. Fi ließ sich nicht beirren und sang weiter. Endlich erschlaffte der Greif und ein seltsamer Ausdruck stahl sich in seine Raubvogelaugen. Es war eine Mischung aus Angst, Verwirrung und ... Erkennen.
Auf Fis Wink hin
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