Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
das, Erasmus«, meinte die Magistra zu ihrem beleibten Kollegen und streckte die Hand nach dem Logbuch aus, das inzwischen auf dem Tisch lag. »Ich kümmere mich derweil um dieses Buch. Sollte nicht allzu schwer sein, Asmus' Worte wieder lesbar zu machen.«
Doktorius Gischterweh lehnte sich gegen ein Regal mit Amuletten und zog die Stirn in Falten. »Nun, wo beginnen?« Die Schwalbe segelte im Zickzack von der Decke und ließ sich auf seinem Bauch nieder. Der Wettermagier streichelte liebevoll ihr Gefieder. »Die uns bekannte Geschichte des Eisreichs beginnt streng genommen zur Zeit der Drachenkriege.«
»Ihr meint die Schattenkriege?«, unterbrach ihn Kai irritiert.
»Nein, nein, Junge«, mischte sich Magister Chrysopras ein. »Erasmus meint tatsächlich die Drachenkriege. Die fanden lange vorher statt, und zwar vor einigen Tausend Jahren.«
»Wir wissen von ihnen nur aus Erzählungen der Alten Völker«, fuhr der dicke Magier fort. »Aber vielleicht erklärst du unserem neugierigen Zauberlehrling, was es damit auf sich hat?« Gischterweh blickte auffordernd Fi an, die sich endlich wieder setzte. »Das ist selbst nach elfischen Maßstäben lange her«, erhob sie leise ihre Stimme. »In unseren alten Liedern heißt es, dass die Drachen gemeinsam mit den unsterblichen Feen und den Riesen als erste vernunftbegabte Wesen aus dem Unendlichen Licht traten. Die Elemente waren zu dieser Zeit angeblich noch in Unordnung, und die Schöpfung war mit lebensfeindlichem Welteneis bedeckt. Doch im Gegensatz zu den Feen und den Riesen begannen die Drachen sogleich damit, sich die Welt Untertan zu machen. Am Ende herrschten drei von ihnen. Pelagor, der Herr des Feuers, Glaciakor, der Herr des Eises, und Ondar, der über das Meer und das Wasser gebot.«
»Ist Pelagor nicht jener Drachenkönig, den Sigur Drachenherz einst mit dem Schwert Sonnenfeuer aus Albion vertrieb?«, wollte Kai wissen und dachte an die magische Klinge aus Mondeisen, die Dystariel im Kampf gegen Mort Eisenhand, den Anführer von Morgoyas Geisterpiraten, erbeutet hatte.
Fi nickte. »Damals war er aber noch nicht der König der Drachen, er war bloß einer der ältesten. In den Liedern meiner Vorfahren heißt es, dass Pelagor, Glaciakor und Ondar eifersüchtig über ihre Reiche wachten und die jüngeren Völker, also die Schrate, die Zwerge und die Elfen grausam von ihren Drachen verfolgen ließen. Die Zwerge suchten Schutz unter der Erde, die Schrate versteckten sich in den Bergen, wir Elfen hingegen vertrauten uns den Feen an, die uns Lieder lehrten, das Mondlicht so zu weben, dass es den Drachen schwerfiel, uns aufzuspüren. Doch die Machtgier dieser drei Drachen war so groß, dass sie eines Tages übereinander herfielen. Es heißt, Pelagor schlug zunächst den alten Drachen des Wassers, nahm seinen Dienern die Fähigkeit zu fliegen und bannte sie auf ewig ans Meer.«
»Heißt das, die Seeschlangen sind in Wahrheit ... Wasserdrachen?«, platzte Kai ungläubig heraus.
»Ich sehe schon, unsere kleine Feuerqualle begreift schnell«, spottete Koggs und zwinkerte ihm zu. »Sei nur froh, dass du noch nicht das Vergnügen mit einer dreiköpfigen Hydra hattest. Das verdammte Urvieh kann immer noch heißen Wasserdampf speien. Erwischt sie dich damit, erleidest du das gleiche Schicksal wie eine Garnele, die man in den Kochtopf wirft. Nur schmeckst du sicher nicht so gut. Als ich mich damals in den Dschinnenreichen befand und Sultan ...«
»Anschließend«, unterbrach Fi den Klabauter unsanft, »griff die alte Feuerechse den Eisdrachen Glaciakor an. Es heißt, der Kampf dauerte über vierhundert Jahre, bis es Pelagor schließlich gelang, auch seinen Rivalen im ewigen Eis zu bezwingen. Pelagor schwang sich anschließend zum König aller Drachen auf. Doch Pelagor hatte einen hohen Blutzoll gezahlt. Die Drachen waren nach den Kämpfen so gering an der Zahl, dass es die jüngeren Völker wagen konnten, ihre Verstecke zu verlassen und die Welt zu bevölkern.«
»Welche Ironie des Schicksals«, meinte Hansen. »Am Ende hat Pelagor also tatsächlich ein neues Zeitalter eingeläutet. Nur gehörte es nicht mehr den Drachen allein.« »Richtig. Außerdem hatte der Drachenkrieg noch etwas Gutes«, ereiferte sich Magister Gischterweh und kraulte weiter seine Schwalbe. »Nach dem Sieg über diesen Glaciakor wurde es überall auf dem Kontinent wärmer. Sogar Albion war während Glaciakors Herrschaft von Schnee bedeckt.«
»Wir wissen das aus alten zwergischen Aufzeichnungen«,
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