Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
ungern zu, aber Gilraen hatte mit seiner kurzen Analyse der gegenwärtigen Situation Recht. Er und Fi konnten ja nicht wissen, dass überdies in Halla dieses finstere Liber nocturnus entwendet worden war. Zu welchem Zweck, wussten sie bislang nicht, aber ganz sicher steckte Morgoya auch hinter diesem Schurkenstreich.
»Ich befürchte, es ist noch schlimmer«, flüsterte Kai, da der Wirt des Honigkrugs bereits neugierig die Ohren spitzte. »Roxana sprach davon, dass Morgoyas Angriff bereits begonnen habe.«
Dass die Oberhexe ihn auch mit der düsteren Prophezeiung verhöhnt hatte, verschwieg der Zauberlehrling. Dabei war es das, was ihm noch immer am meisten Angst einflößte. »Kai, ich verspreche dir, dass ich dich von nun an nicht mehr aus den Augen lassen werde!« Fi nahm Kais Hand und drückte sie fest. Der sah überrascht zu ihr auf und blickte zu Gilraen, der seine Hand wie zum Schwur darüberlegte. »Ebenso werde ich es halten. Ich weiß, Zauberlehrling, du und dein Lehrmeister, ihr beide hegt Vorbehalte gegen mich. Ich verstehe euch. Aber Fi setzt große Hoffnungen auf euch. Ich verspreche, ich werde alles tun, um euer Vertrauen zu gewinnen und mich seiner würdig zu erweisen.«
Kai nickte knapp. Gilraen sollte bloß nicht glauben, er fiele auf sein Geschwätz herein. In diesem Augenblick ging die Wirtshaustür auf und Magister Eulertin und Amabilia betraten die Schankstube.
»Guten Morgen«, grüßte Amabilia munter und warf einen Blick auf ihre Teller. »Da fällt mir ein, dass ich bei all der Aufregung glatt vergessen habe, selbst etwas zu frühstücken.«
»Ich hoffe, ihr seid fertig zum Aufbruch«, sagte Eulertin. Fi nickte, erhob sich gemeinsam mit Gilraen und schulterte Bogen, Köcher und Umhängetasche. Kai griff derweilen nach seinem neuen Zauberstab und wog ihn prüfend in der Hand. Auch jetzt war ihm wieder, als würde er empfänglicher für die magischen Strömungen um ihn herum werden, kaum dass er ihn berührte. Endlich warf er sich seinen Rucksack auf den Rücken und gemeinsam verließen sie das Wirtshaus.
Auf dem Dorfplatz herrschte bereits munteres Treiben. Einige Däumlinge waren damit beschäftigt, Tische und Bänke hinter das Wirtshaus zu tragen, andere montierten die Blütengirlanden ab, die dem Platz noch immer ein festliches Aussehen verliehen. Kai warf einen Blick hinüber zur Dorfschmiede mit den beiden Fackellaternen vor dem Eingang. Ihm ging das Schicksal von Meister Fackelbart und seinen Gesellen nicht aus dem Kopf. Ob Roxana auch für ihr Ende verantwortlich war ?
»Dann folgt mir mal nach unten zum Hafen«, sagte Eulertin. »Kriwa wartet bereits auf der Lichtung mit der Kutsche auf uns. Einer der Fischer wird uns dort hinfahren.« Kai versuchte mit den anderen Schritt zu halten, bis er bemerkte, dass sich Gilraen zu ihm zurückfallen ließ.
»Ich möchte dir ebenfalls danken«, sagte der Elf. Gerade so laut, dass nur er ihn verstehen konnte.
»Wofür?« Kai sah überrascht zu ihm auf.
Gilraen lächelte, und Kai musste wieder einmal zugeben, dass der Kerl mit seinen langen Haaren und seinem scharfen Profil verteufelt gut aussah.
»Dafür, dass du Fiadora das Leben gerettet hast. Sie hat mir erzählt, dass du sie in Hammaburg davor bewahrt hast, in die Hände von Häschern zu fallen. Und ich danke dir auch dafür, dass du niemandem verraten hast, wer sie in Wirklichkeit ist.« »Ehrensache«, antwortete der Zauberlehrling wortkarg. Er verspürte nur wenig Lust, ausgerechnet mit Gilraen einen Plausch zu halten.
»Nein, das ist weit mehr. Du kannst nicht wissen, wie viel davon abhängt, dass Fiadora so lange wie möglich unentdeckt bleibt.«
»Doch, ich kenne ihr Geheimnis«, begehrte Kai wütend auf und blieb stehen. »Ich weiß nicht, wie das früher auf Albion war, Gilraen. Aber ich glaube, du und Fi, ihr habt keine Vorstellungen davon, wie selten sich die Elfen hier bei uns in
den Städten blicken lassen. Wenn ich Morgoya wäre, würde ich einfach nur ganz allgemein nach Elfen Ausschau halten. Uns ... ich meine, die Feuermagier, hat sie ja ebenfalls allesamt gefunden und zur Strecke gebracht. Sie ist in größter Gefahr. Zumindest Magister Eulertin und Amabilia gegenüber sollte Fi so ehrlich sein und eingestehen, wer sie ist.«
»Das habe nicht ich zu entscheiden.«
»Nein«, platzte es verärgert aus Kai heraus. »Mit dir über Ehrlichkeit zu sprechen, ist sicher auch zwecklos.«
Gilraens Züge verdunkelten sich. »Woher dieser Hass, Zauberlehrling? Jeder von
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