Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
doch der wusste sich mit harten Schlägen zu schützen. Und zu Kais Bestürzung schlossen sich die harzenden Wunden des Berggeists immer wieder.
Einen Moment lang dachte Kai daran, der Gargyle mit einem seiner Kugelblitze zu Hilfe zu eilen. Feuer war sicher genau das richtige Mittel gegen diesen Baumkoloss. Doch er zögerte. Er hatte nicht vergessen, dass Wildegrimm nicht Herr seiner selbst war. Und deshalb fühlte er sich trotz allem an seinen Schwur, Wildegrimm und seinen Kreaturen kein Leid zuzufügen, gebunden. Was sollte er nur tun ?
Wo verdammt noch einmal war Roxana ? »Hier bin ich!«
Kai wirbelte erschrocken herum und wurde von einem harten Fausthieb ins Gesicht getroffen. Er stürzte über eine der Hexen und ging zu Boden. Seine Lippe blutete und verzweifelt hob er den Zauberstab. Roxana beschrieb mit dem ihren eine Spiralbewegung und sein kostbarer neuer Eichenstab wurde ihm von unsichtbaren Kräften aus der Hand gerissen. Klackernd knallte er gegen einen der Felsen. »Und nun vergeh, Letzte Flamme!« Roxana holte zu einem tödlichen Zauber aus, als ein feiner grüner Lichtstrahl durch die Dunkelheit schnitt und sie in den Rücken traf. Schreiend bäumte sich die Oberhexe auf und ging in die Knie.
»Na, noch einen Hekschenschusch gefällig, Verräterin!«, nuschelte eine Stimme. Kai blickte ungläubig zu der zahnlosen alten Hexe auf, die Amabilia und ihn vorhin getragen hatte. Lupura hatte sich im Schutz des großen Steins an sie herangeschlichen. »Hascht du schon vergeschen, dasch isch nischt mitgetanscht habe? Da, nimm gleich noch einen!«
Abermals jagte ein grüner Lichtstrahl auf Roxana zu, doch diesmal wehrte die Oberhexe den Fluchzauber ab und verwandelte den Boden unter ihrer Angreiferin in feuchten Morast.
»Fahr zur Hölle, Lupura!«
Überrascht zog die Alte an ihren eingesunkenen Stiefeln, verlor das Gleichgewicht und kippte wild kreischend hintenüber.
»Helft mir!«, schrie sie und sank in dem feuchten Untergrund nur noch tiefer ein. Roxana kam wieder auf die Beine und hielt sich mit Schmerzverzerrtem Gesicht das Kreuz. Fassungslos blickte sie in die Runde.
Auch Kai entdeckte, dass zwei der Hexen wieder zu sich gekommen waren und bereits nach ihren Zauberstäben griffen. Von anderen Stellen auf dem Hexenplatz erklang ebenfalls leises Stöhnen. Die Hexen erwachten! Wie auch immer die zahnlose Alte das angestellt hatte, es gefiel Kai. Aber jetzt musste er Lupura helfen.
Hastig rollte er sich zu seinem Zauberstab und hielt ihn der Alten hin, die inzwischen bis zur Brust eingesunken war. Doch dafür ging Roxana bereits wieder zum Angriff über.
»Stirb!«, schrie sie.
In diesem Moment prasselte ein Hagel aus Steinen und Tannenzapfen vom Himmel herab, der Roxana durchschüttelte und blutige Schrammen auf ihrem Gesicht hinterließ. Zornig taumelte sie zurück.
»Wir sehen uns wieder, Letzte Flamme. Morgoyas Angriff hat längst begonnen!« Von einem Augenblick zum anderen verwandelte sich die Verräterin wieder in eine Katze und jagte mit großen Sätzen davon.
Kai zerrte an seinem Zauberstab, und mithilfe zweier Hexen gelang es ihm, Lupura aus dem tückischen Schlammloch zu ziehen.
Schon lange waren keine Kampfgeräusche mehr zu hören. Dort, wo Dystariel und der Berggeist aufeinander eingedroschen hatten, lag nur noch ein großer Haufen zerfetzter Zweige und Blätter. Kai blickte sich aufmerksam um und entdeckte über den Baumwipfeln am Waldesrand den wehenden Schatten einer großen Gestalt mit Schwingen. Kurz darauf verschwand Dystariel wieder in der Dunkelheit.
»Alles in Ordnung, Kai?« Endlich war auch Amabilia wieder zur Stelle. Sie kam auf ihrem Eichhörnchen angeritten und wirkte sichtlich mitgenommen.
»Ja«, keuchte der und umklammerte fest seinen neuen Zauberstab. »Wie kommt es, dass ihr alle wieder erwacht seid?«
»Dasch war nischt schwer«, nuschelte Lupura, die dem Sumpfloch einen vernichtenden Blick zuwarf. Ächzend richtete sie sich auf. »Isch hab schie mit einem alten Hausmittel geweckt. Ein Abschud aus Feuerwurtschelschaft, Brennnescheln, Rindenexschtrakten und einer Prische Magie.« Sie stieß ein keckerndes Lachen aus. »Ein eschtesch Rundumheilmittel ! Amabilia, hatte isch dir vor ein paar Jahren nischt mal das Reschept gegeben?«
Kai rollte mit den Augen. »Weiß jemand, was mit Wildegrimm geschehen ist?«, wollte er wissen.
»Ich dachte, du wüsstest das«, antwortete Amabilia. »Er und diese Schwingenkreatur haben gegeneinander gekämpft. Doch
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