Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
Bestie vertraut?«, fragte Gilraen fassungslos und hielt sich noch immer kampfbereit. »Was soll das alles hier?«
»Dystariel und ich sind seit vielen Jahren befreundet. Sie steht auf unserer Seite«, erklärte Magister Eulertin mit fester Stimme.
»Dystariel?« Die Augen des Elfen verengten sich zu Schlitzen und überrascht ließ er seine Klinge sinken. »Hierher hast du dich also verkrochen. Endlich begreife ich, warum wir bis zum Einbruch der Dunkelheit warten mussten. Kreaturen wie du vertragen bekanntlich das Tageslicht nicht. Morgoya lässt schon seit vielen Jahren nach dir suchen. Und wie sie dich sucht...«
Er steckte die Waffe weg und plötzlich begannen seine Mundwinkel zu zucken. Prustende Laute waren zu hören, die sich nach und nach zu einem schallenden Gelächter steigerten.
»Gilraen«, unterbrach Fi sein Gelächter. »Was soll das?«
»Wenn du wüsstest, wie oft ich nach ihr ausgeschickt wurde«, gluckste er und hielt sich den Bauch vor Lachen. Endlich richtete sich Gilraen wieder auf, und Kai sah, dass ihm in Wahrheit Tränen über die Wangen rannen. Sein Gesicht war zu einer bizarren Maske verzerrt, in der sich zu einem Teil Heiterkeit und zum anderen Teil Verzweiflung mischten. Einen kurzen Augenblick lang machte er den Eindruck, komplett wahnsinnig geworden zu sein.
»Welche Ironie des Schicksals«, japste er und zitterte am ganzen Körper. »Wenn Morgoya wüsste, dass ausgerechnet ich dich gefunden habe, würde Albion von einem zornigen Orkan verschluckt werden.« Sein Reden verwandelte sich nach und nach in ein trockenes Schluchzen. Kai, der noch immer nicht wusste, was er von dem Gefühlsausbruch Gilraens zu halten hatte, durchrieselte es kalt.
»Sechs Mal, du elende Kreatur«, fuhr dieser fort, »wurde ich ausgeschickt, um dich aufzuspüren. Und sechs Mal hat uns Morgoya gezwungen, in den Dörfern, die wir nach dir abgesucht haben, verbrannte Erde zu hinterlassen. Deine Flucht, Dystariel, hat so viele Unschuldige das Leben gekostet. Dafür hasse ich dich.«
»Du hasst dich selbst, Elf«, zischte Dystariel, die seltsam ruhig blieb.
Gilraen starrte sie zornig an, doch schließlich erlosch das Feuer in seinen Augen. »Vermutlich hast du Recht«, flüsterte er und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Er atmete tief ein. »Das Schlimmste an alledem war, dass ausgerechnet du es warst, die jenen wie mir Hoffnung gegeben haben.«
»Hoffnung?«, rollte die düstere Stimme der Gargyle über den Berghang. »Ja«, keuchte der Elf. »Denn du bist das lebende Beispiel dafür, dass Morgoya Fehler begeht. Dass man ihr entkommen kann. Dass sie nicht allmächtig ist. Dass man sie vielleicht sogar eines Tages ... besiegen kann.«
Fi legte ihrem Gefährten mitfühlend die Hand auf den Arm, doch Gilraen schüttelte sie ab. Stattdessen ging er auf Dystariel zu, blieb vor ihr stehen und blickte ihr furchtlos in die gelben Augen.
»Wissen die anderen, wer du in Wahrheit bist?«
Die Gargyle knurrte gefährlich.
Kai, der dem Ausbruch Gilraens mit zunehmendem Entsetzen gelauscht hatte, starrte die beiden mit aufgerissenen Augen an. Gilraen wusste, wer Dystariel als Mensch gewesen war?
»Es ist genug, Elf!«, rief Eulertin mit schneidender Stimme. »Ich weiß es, und für den Augenblick, soll das genügen. Macht euch aufbruchsbereit. Kai, du wirst mit Dystariel fliegen.«
Empört schaute der Zauberlehrling zu Eulertin. Wann endlich würde der Magister aufhören, ihn wie einen unbedarften Lehrling zu behandeln ?
»Ich hole nur noch meine Sachen«, sagte Kai und drehte sich auf dem Absatz um. Ob er dem Elfen Unrecht getan hatte ? Nein, unmöglich täuschte er sich in ihm. Er hatte sie belogen. Dennoch tat ihm Gilraen in diesem Augenblick leid. Trotzdem würde er nicht eher Ruhe geben, bis er herausgefunden hatte, was der hochmütige Elf vor ihnen verbarg. Kai stolperte durch die Dunkelheit zu der kleinen Lichtung, schulterte seinen Rucksack, klaubte den Sack mit der Mondsilberscheibe auf und eilte wieder zurück. Gilraen und Fi hatten bereits auf dem Rücken des geflügelten Pferdes Platz genommen, und Kai hörte, dass Fi leise, aber aufgeregt auf Gilraen einredete. Doch der schüttelte energisch den Kopf.
Der Zauberlehrling kramte die Mondsilberscheibe hervor und klopfte dagegen. »Nivel?«
»Dreht die Scheibe um, verehrter Adept«, vernahm er die nasale Blechstimme von Levin.
Kai tat, wie ihm geheißen und im Mondlicht waren die vornehmen Züge des Droschkenlenkers zu erkennen.
»Ah, es geht
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