Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
was ist jetzt mit meiner Erlösung, junger Herr?«, greinte Quiiiitsss. Er schwebte mit zerlaufenen Schlieraugen vor dem Hauptmast, sah in die Höhe und hielt die Nebelarme weit von sich gestreckt. »Drei Tage lang gute Taten. Ohne mich wären hier ganz sicher alle umgekommen. Ich habe es verdient, endlich in das Unendliche Licht einzugehen ...«
»Verdammt, schafft mir doch einer diesen Quälgeist vom Hals! Soviel Selbstmitleid ertrage ich nicht.« Koggs drehte dem Poltergeist seinen Rücken zu und wandte sich an einen seiner Männer. »Rob, hol die Flagge. Wir dürfen jetzt keine Zeit mehr verlieren.« Der Matrose nickte, rannte unter Deck und kam mit einer schwarz-roten Fahne wieder, auf der ein skelettierter Drache zu sehen war.
»Beim Traumlicht, das ist doch eine Freibeuterflagge Morgoyas.« Fi riss die Augen auf. »Was hast du vor, Koggs?«
»Ganz einfach«, knurrte der Klabauter und bleckte die Zähne. »Mit diesem Fetzen werden wir uns als albionsche Piraten ausgeben, die Mündung der Teus hinauffahren und dann direkt den Hafen Albas ansteuern.«
»Was, du willst Alba direkt anlaufen?«, fragte Kai ungläubig.
»Aber sicher. Man sollte immer das tun, was der Feind nicht erwartet.« Koggs sah Kai ernst an. »Uns läuft die Zeit davon, du Zitteraal. Und es gibt jetzt noch einen zweiten Grund dieser Drachenburg einen Besuch abzustatten.«
»Aber das ist viel zu gefährlich, Koggs. Du musst uns den Rücken freihalten, damit wir wieder von Albion wegkommen. Es ist besser, wenn wir allein in diese Burg einsteigen.« »Das ist keine einfache Burg, Junge.« Koggs schüttelte ungehalten den Kopf. »Bei dieser Drachenburg handelt es sich um eine riesige Anlage aus finsteren Bauwerken und hohen Türmen. Dort lagerten vor der Machtübernahme Morgoyas nicht nur die Krönungsinsignien der Drachenherz sehen Königsfamilie, ihre Mauern beherbergen auch zahlreiche Verliese. Und ich verwette mein gesundes Bein darauf, dass dort Bilger Seestrand eingekerkert ist. Er ist ein Klabauter, Junge. Und du solltest mittlerweile wissen, wie es uns Klabautern ergeht, wenn wir allzu lange vom Wasser getrennt werden. Wenn wir ihn nicht befreien, wird er sterben.«
Nebel über Alba
»Bei diesem ewig grauen Licht wird man noch trübsinnig«, klagte Kai. Er stand gemeinsam mit Fi auf dem Vorderkastell des Schiffes und sah zum Himmel auf, an dem düstere Wolken entlangtrieben. Man brauchte nur wenig Fantasie, um sich vorzustellen, wie die schroff wirkenden Wolkengebilde über ihnen plötzlich zur Erde stürzten, um Tiere und Menschen unter sich zu begraben.
»So wie hier ist es in ganz Albion«, erklärte Fi bedrückt. »Überall nur Wolken, Regen und Nebel. Albion erstickt an dem ewigen Dämmerlicht. Die Ernten werden von Jahr zu Jahr schlechter, und nur die Alten erinnern sich noch an jene Tage, als das Wetter besser war. Hier ist inzwischen eine ganze Generation herangewachsen, die die Sonne und ihr warmes Licht nicht mehr kennt.«
Kai atmete tief ein und blickte auf die Fluten der Teus herab, die wie schwarze Tinte am Bug des Schiffes entlangströmten. Überhaupt machte der breite Flusslauf einen durch und durch unheimlichen Eindruck auf ihn. Unentwegt durchstießen sie geisterhafte Nebelschwaden, die dicht über dem Wasser trieben. Und wann immer er zu den Uferböschungen hinüberblickte, entdeckte er dort nichts anderes, als kümmerliche Sträucher und verkrüppelte Bäume, deren Zweige gespenstisch in die Luft ragten. Mehrere Stunden waren inzwischen verstrichen, seit sie von Bilgers Schicksal erfahren hatten, und auch wenn die Sonne nicht zu sehen war, spürte Kai deutlich, dass sich der Tag dem Ende entgegenneigte.
»Seltsam, dass ich auf diese Weise nach Albion zurückkehre.«
Kai sah Fi fragend an. »Was meinst du?«
»Ich wollte erst wiederkommen, wenn ich ein Mittel gefunden hätte, um mein Volk aus Morgoyas Mondsilberminen zu befreien. Und was habe ich erreicht? Gilraen ist tot, der Glyndlamir hat sein Unendliches Licht verloren und ich bin noch immer kein bisschen klüger als zuvor.«
»Na ja, immerhin haben wir beide uns kennengelernt.« Kai legte mitfühlend seine Hand auf Fis Arm. »Und ichverspreche dir, ich werde alles in meiner Macht stehende tun, um dir zu helfen.«
Fi sah zu ihm auf und lächelte zum ersten Mal seit Tagen. »Ihr solltet euch langsam bereit machen, ihr Prielkrabben. Wir haben unser Ziel fast erreicht.« Koggs trat mit backendem Holzbein neben sie und Kai zog verlegen seine Hand fort.
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