Die Chroniken der Nebelkriege 3: Die Letzte Flamme
muss der Elfenkönig sein!«, rief Kai aufgeregt. »Ich habe bereits von ihm gehört. Sein Name ist Avalaion. Angeblich war er der erste der Elfen, der aus dem Unendlichen Licht trat. Wenn ich mich recht entsinne, war er es, der einst das Herz der nachtblauen Stille geschaffen hat, jene Zauberperle, die mich damals vor dem Tier in mir bewahrt hat.«
Das Einhorn maß Kai mit einem rätselhaften Blick und nickte. Avalaion begriff als Erster seines Volkes, welche Absichten die Schatten in Wahrheit verfolgten. Denn der beginnende Drachenkrieg war den finsteren Mächten nur Mittel zum Zweck, um die Schöpfung zu zerstören. Sie würden nicht ruhen, bis es ihnen gelänge, die Quelle des Unendlichen Lichts zu finden und zu verderben. Jemand musste sich ihnen entgegenstellen! Avalaion traf daher eine folgenschwere Entscheidung. Er sammelte sein Volk um sich, um die Quelle des Unendlichen Lichts zu finden und vor der Finsternis zu beschützen.
»Heißt das, dass die geheimnisvolle Quelle dort liegt, wo die Elfen heute leben? In den Elfenwäldernwestlich des Flusses Rhyn?« Kai sah das Einhorn gespannt an. Ja, dies ist der Ort, der ihr in der Wirklichkeit am nächsten kommt.
Das Bild der Elfen auf der Waldlichtung verging und ein majestätischer Sternenhimmel tat sich vor ihnen auf, der sich immer schneller um den Nordstern drehte. Jäh blitzte das ferne Himmelslicht auf und das Leuchten gebar die Vision einer strahlend hellen Quelle. Auf Kai wirkte sie wie ein majestätischer Brunnen mit gleißenden, silbergoldenen Lichtfontänen, dessen Wasser von einem Becken wie aus funkelndem Feenkristall aufgefangen wurde. Erst auf den zweiten Blick entpuppte sich das Becken als strahlendes Gespinst aus weißer Gischt, in dessen wallenden Nebeln sich das Leben in all seinen unterschiedlichsten Formen und Ausprägungen widerspiegelte. War das denn überhaupt Wasser? Die Lichtfontänen wogten weit zum Himmel hinauf, wo sie sich kaskadengleich mit den Strahlen der Sonne vereinten. Alles an dieser Quelle glitzerte und glänzte in einer überirdischen Pracht. Kai liefen Schauer der Ehrfurcht über den Körper, und er musste einen Moment lang die Augen schließen, um von all dem Leuchten und Funkeln nicht geblendet zu werden.
Ja, die Elfen haben die Quelle des Unendlichen Lichts gefunden, sprach das Einhorn mit seiner ruhigen Stimme weiter. Doch ihre Suche war lang und entbehrungsreich. Du musst wissen, dass nur jene die Quelle zu finden vermögen, die die Wirklichkeit mit ihren Träumen tauschen. Avalaion ließ daher jene, die sich ihm anschlossen, wissen, dass der Weg kein Zurück duldete. Die Elfen wandten sich somit von der Wirklichkeit ab, um ihr Leben und ihre Träume ganz der Quelle des Unendlichen Lichts zu weihen. Dadurch konnten sie die Wirklichkeit um die Quelle herum nach ihren Wünschen formen. Und das taten sie. Die Elfen erschufen dichte Wälder, labyrinthene Berge, verschlungene Traumpfade und unüberbrückbare Barrieren, um die Schattenmächte in die Irre zuführen. All ihre Anstrengungen zielten darauf ab, es der Finsternis unmöglich zu machen, die Quelle des Unendlichen Lichts jemals zu finden - und doch ist Avalaion gescheitert.
»Was soll das heißen?« Kai sah den Hengst an. »Die Macht die den Elfen an der Quelle allen Seins gegeben ist, muss doch unermesslich sein?«
Das ist sie auch. Das Einhorn hob sein Horn. Doch der Weg, den Elfenkönig Avalaion seinem Volk einst wies, blieb nicht unwidersprochen. Er rechnete nicht damit, dass manche seines Volkes den Verlockungen der Wirklichkeit längst erlegen waren. Diesen Elfen schwebte für ihr Volk ein anderes Schicksal vor. Statt sich in den Traum zu flüchten und sich der Wirklichkeit zu versagen, wie sie es nannten, fühlten sie ihr Volk ebenfalls dazu berufen, den Weg der Herrschaft einzuschlagen und sich die Welt Untertan zu machen. Ihre Chance sahen sie am Ende des Drachenkrieges gekommen. Eine Schar rebellischer Elfen probte den Aufstand. Und ihr Anführer war niemand Geringeres als der jüngere Bruder von Avalaion!
Vor ihnen stiegen schreckliche Bilder auf, in denen Elfen übereinander herfielen und sich mit Schwert, Bogen und Zaubermacht bekämpften.
»Die Elfen haben untereinander Krieg geführt?« Kai trat erschrocken einen Schritt zurück. »Davon habe ich noch nie gehört. Ich dachte immer die Elfen seien irgendwie, na ja, unfehlbar.«
Nein, Kind des Unendlichen Lichts! Das Einhorn schüttelte seine Mähne. Kein sterbliches Wesen ist unfehlbar. Der
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