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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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aufpassen, werden sie von ihren eigenen Schatten bezwungen, und wir alle wissen, was dann aus ihnen wird, nicht wahr?« Er hielt inne und durchdrang Avartos mit seinem Blick, bis dieser sich abwandte wie ein getadelter Schüler. Dann fuhr er fort. »Doch der Sohn des Teufels wird größere Kälte erdulden auf seinem Weg und größere Hitze, als du dir vorstellen kannst. Er steht erst am Anfang seines Weges. Und er ist sich dessen bewusst, auch wenn er zittert vor Angst, wenn er daran denkt.«
    Nando erwiderte seinen Blick. »Ich zittere nicht«, sagte er und war froh, dass seine Stimme fest klang und seine Anspannung nicht erahnen ließ.
    »Nein«, gab Hadros zurück. »Du wärest gerade nur beinahe in der Kälte deiner eigenen Gedanken umgekommen. Es liegt viel Kraft in der Unwissenheit, Teufelssohn. Mehr, als du ahnst.«
    Er senkte leicht den Blick, das Gold seiner Augen umfing Nando mit glühender Intensität. »Du wirst diesen Weg gehen, weil du dich dazu entschlossen hast. Du wirst die Wüste jenseits der Stadt durchqueren, die Pforte des Frosts finden und den Uralten unter die Augen treten, und wenn du würdig bist – dann wirst du die Waffe erlangen, die den Teufel stürzen kann. Sag mir, Teufelssohn: Ist es das, was du tun wirst?«
    Für einen Moment sah Nando wieder die Augen der Sphinx vor sich und spürte das Licht der Cor Wanoy auf seiner Haut. Furcht durchpulste ihn angesichts dieser Helligkeit, aber die Sehnsucht war noch immer da, und sie zog ihn in Gedanken näher an den Glanz heran, der irgendwo in der Wüste des Lichts darauf wartete, von ihm gefunden zu werden. Langsam nickte er.
    »Ein Engel ist es, den ich töten werde«, erwiderte er leise. »Und ein Engel wird es sein, von dem ich das Schwert für diese Tat bekomme.« Er sah sich selbst in Hadros’ Augen und schaute zu Avartos, Noemi und Kaya, die ihn schweigend betrachteten. »Lang genug haben wir uns in den Schatten herumgetrieben«, sagte er und lächelte. »Reisen wir in die Wüste des Lichts.«

24
    Die Welt der Menschen war ein Moloch. Immer schon war sie schmutzig und dem Untergang geweiht gewesen, aber Pherodos hätte nie damit gerechnet, dass sie sich binnen weniger Jahrhunderte in ein Geschwür verwandeln würde, das sich aus sich selbst nährte und umso stärker wucherte, je gieriger es sich verschlang. Ohrenbetäubend laut hörte er die Stimmen der Menschen, die zu dieser späten Stunde durch die Straßen liefen, fühlte den Boden erzittern unter den donnernden Zügen der Stazione Termini und sehnte sich in die Dunkelheit zurück. Er hatte nichts übrig für den Lärm der Oberwelt. Immer wieder musste er innehalten, um den Ton wiederzufinden, der ihn durch das Labyrinth der Stadt führte, und jedes Mal kehrte er zu ihm zurück wie eine Ohrfeige: der verfluchte Schwingenschlag der weißen Krähe.
    Kymbra schwieg, seit sie sich vor den Toren Roms begegnet waren, und duldete keinerlei Verzögerung mehr. Ohne Umschweife hatte sie sich auf die Suche nach einer Spur begeben, kaum dass ihr zerrissener Leib geheilt war – auf die Spur des Teufelssohns, die von dem Höchsten Krieger des Lichts verschleiert worden war. Doch dessen Zauber flatterte schon im Wind von Raars Stimmen, er wurde durchlässig unter Ligurs Klauen, und Pherodos konnte ihn fühlen wie ein Totenhemd, das dazu bestimmt war, von ihm zerfetzt zu werden. Noch wehrte sich der Zauber des Engels, doch es würde ihm nicht mehr lange gelingen. Überdeutlich roch Pherodos den Duft des Mönchs, der durch die Gassen schritt. Er stank nach Asche, Rauch und Menschenblut. Geisterhaft wie ein Schatten glitt der Bruder des Lichts voran, und geisterhaft wie Schatten folgten sie ihm.
    Erst als sie den Cimitero del Verano erreichten, nahm der Lärm ab, oder vielleicht wurde er auch nur von den Stimmen der Toten zurückgedrängt, die auf diesem riesigen Friedhof lagen, verbrannt, von Maden zerfressen, eingesperrt in modrige Kisten oder steinerne Verliese. Dicht vor dem Gatter blieb Pherodos stehen. Die Schritte des Mönchs verursachten auf den verlassenen Wegen keinerlei Geräusch, aber er konnte die Luft fühlen, die als Wellenbewegung von ihm ausging und den Frieden des Totenackers störte.
    Die Krallen der weißen Krähe schlossen sich um das Gatter. Knisternd vereiste es, während sie in Richtung der gewundenen Wege starrte. Ja, das Licht war in das Reich der ewigen Finsternis eingedrungen, ein Licht, das Pherodos mit jedem weiteren Schritt spöttisch ins Gesicht trat. Aber die

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