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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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Stichen zugenäht hatte, und er ahnte die Glut, die noch immer in ihnen lag. Die Frau rührte sich nicht, aber das weiße Gewand um ihren Körper wurde von einem fernen Wind bewegt. Er schmeckte das Salz aller Meere auf ihrer Haut, und als sie lächelte, wusste er, dass die Legenden über sie der Wahrheit entsprachen und ihr doch nicht gerecht wurden. Sie war mehr als jede Geschichte, mehr als jeder Traum und jede Lüge. Sie war durch die Wüsten des Zorns gewandert, lange bevor er eine Ahnung von Sand oder Feuer gehabt hatte, sie hatte die Ozeane gesehen, noch ehe ein Schimmer aus Licht auf ihren Wellen getanzt hatte, und sie hatte über den Leichen ihrer Feinde gestanden mit nicht mehr am Leib als diesem Lächeln, das nun wie ein Schnitt über seine Wange fuhr. Sie war der Fluch der Schwarzen Hexen, und sie hatte das Gold in Finsternis verwandelt mit einem Schwur vor lang vergangener Zeit. Sie war die Tanzende Flamme der Verkommenheit – sie war Kherisar, die Vieläugige.
    Sie trat aus dem Spiegel, der nun erneut nicht mehr war als ein flirrender schwarzer Riss, und ließ sich auf einem Sessel nieder. Die roten Seidenschleier bewegten sich hinter ihr, als wären sie Flüsse aus Blut.
    »Ihr habt meine Spiegel zerbrochen«, sagte sie mit rauer, dunkler Stimme. »Es gibt nicht viele, denen das gelingt. Lasst mich euch ansehen.«
    Ein Nebelleib löste sich aus ihrem Körper. Nando ballte die Fäuste, als Kherisar in dieser Gestalt auf ihn zuglitt und nach seinem Kinn griff, Kaya schloss atemlos die Augen, und Noemi presste fest die Zähne aufeinander, während eine Strähne ihres Haares von der bleichen Nebelhand berührt wurde. Auch die Augen dieses Nebels waren blind, aber als Kherisar vor ihm stehen blieb und die Hand auf sein Herz legte, schien es Avartos, als würde sie ihn direkt ansehen – aus einer anderen Welt vielleicht, wo sie keine Augen brauchte, um die Wahrheit zu erkennen. Dann löste der Nebel sich auf. Kherisar lachte auf ihrem Thron.
    »Teufelssohn«, raunte sie. »Tochter der Schatten, Krieger des Lichts, Schimmer der purpurnen Inseln. Ich hätte euch alle töten können.«
    Avartos spürte Nandos Herzschlag wie einen elektrischen Impuls auf seiner Haut. Dennoch war die Stimme des Jungen ruhig, als er antwortete: »Aber Ihr habt es nicht getan. Aus welchem Grund?«
    Kaya starrte ihn mit sichtbarem Erstaunen an, aber Avartos hätte beinahe gelächelt. Der Sohn des Teufels hatte seine Lektionen gelernt.
    »Ich tötete euch nicht«, erwiderte Kherisar dunkel, »wegen der Schönheit der Furcht in euren Augen, als ihr nicht wusstet, ob ihr euch selbst trauen könnt. Und eurem Mut, denn keiner von euch ist geflohen.«
    Da verschränkte Noemi die Arme vor der Brust. »Wir sind nicht gekommen, um Eure Lügen und Halbwahrheiten zu hören«, sagte sie, und obgleich Zorn auf Kherisars Zügen aufflammte und sie mit einem einzigen Blick den Boden vor Noemis Füßen in tödliches Eis verwandelte, fuhr diese fort: »Wir sind den Weg durch die Spiegel gegangen, und nun fordern wir den Gefallen, der uns zusteht!«
    Ein harter Zug legte sich um Kherisars Mund, als sie merkte, dass ihre Regeln den Besuchern bekannt waren. »Was also wollt ihr?«, fragte sie kaum hörbar. Ihre Hände lagen ruhig auf den Lehnen des Sessels, doch plötzlich sah Avartos sie um die Kehlen junger Menschen gelegt und hörte, wie Engel und Dämonen unter ihnen ihr Leben aushauchten.
    »Ihr kennt meinen Namen«, sagte Nando, ohne den Blick abzuwenden. »Ihr wisst, welcher Weg vor mir liegt. Oder irre ich mich?«
    Kherisar betrachtete ihn ungerührt. »Nein. Jeder Herrscher der Schatten kennt deinen Namen. Und jeder Bastard der Hölle trachtet danach, dein Herz, das schwach und sterblich ist wie dein ganzer zerbrechlicher Leib, in Stücke zu zerreißen.«
    »Ihr seid keine Kreatur der Hölle«, sagte Nando leise, und erstmals klang das Lachen aus Kherisars Mund nicht kalt.
    »Nein«, entgegnete sie. »Ich kenne keinen Fürsten außer mir selbst. Es kümmert mich nicht, wer die Welt regiert, denn mich, kleiner Mensch, wird niemand beherrschen, ganz gleich, welche Finsternis er in sich trägt. Ich weiß um die Geheimnisse des Lichts ebenso wie um die Rätsel der Finsternis, und … ich löse sie alle.«
    Nando schwieg für einen Moment. Avartos konnte das Lächeln fühlen, das auf dessen Lippen glitt. »Auch Euer eigenes, Majestät?«, fragte er kaum hörbar, doch ehe der Zorn auf Kherisars Gesicht zurückkehren konnte, fuhr er fort: »So wisst

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