Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
Vom Netzwerk:
Perversion so ästhetisch, dass Avartos nur wie von ferne den Donner hörte, mit dem der Hexenmeister sich mit Hadros im Hohen Turm einschloss, um ihn von seinen Gefährten abzuschneiden. Bald schon würden sie versuchen, sich mit Feuer und Frost gegenseitig zu zerschmettern. Hingegeben glitt sein Blick über die Krieger des Lichts, die unermüdlich gegen ihre Feinde aufbegehrten. Nicht Hadros allein war der Held seiner Kindheit gewesen. Seine Bewunderung hatte auch jenen gegolten, die in dieser Schlacht an seiner Seite standen, und während die Worte alter Lieder in ihm widerklangen, sah er einen von ihnen heranpreschen, einen Engel in schneeweißer Rüstung, der mutig mitten in die Reihen seiner Feinde sprang.
    Das fast weiße Haar hatte er unter dem glänzenden Helm zurückgebunden, das Schwert war kaum mehr als ein eiskalter Streifen aus rotem Licht, so schnell bewegte er sich. Seine Rüstung funkelte in den Farben seiner Zauber, doch mehr noch als diese war es die Entschlossenheit in seinem Blick, die sich wie ein prachtvoller Firnis über seinen Körper legte und ihn adelte unter all den Kriegern des Lichts. Kolkrinor wurde er genannt – der Weiße Krieger. Wie besessen kämpfte er seine Gegner nieder, und obwohl ihn immer wieder mächtige Hiebe trafen, schwankte er nicht. Unermüdlich stellte er sich der Finsternis entgegen, und nie verlor er den unsterblichen Glanz der Engel, der in seinen Augen glomm und den keine Regung trübte.
    Avartos riss seinen Blick los. Überdeutlich spürte er den Frost, der ihm in die Glieder fuhr. Es war die Macht des Spiegels, die in ihn eindrang. Sie verlangte nach ihm, sie wollte ihn verschlingen, und wenn er sich nicht beeilte, würde es ihr gelingen. Eilig sah er sich um. Verflucht, wie sollte er den Kern dieser Erinnerung finden? Woher sollte er wissen, dass er das richtige Bild betrachtete? Ein Brennen ging durch seine Augen, kurz meinte er, Kherisars Stimme in seinen Gedanken zu hören.
    Sieh und fühle , raunte sie und lachte leise. Das Herz wird dich finden, wenn du es nicht suchst.
    Verächtlich stieß er die Luft aus. Rätsel waren noch nie seine Sache gewesen. Er wollte gerade etwas erwidern, als ein heftiges Beben durch die Ruine ging.
    Der Zorn des Gloys , schoss es Avartos durch den Kopf. Der uralte Zauber, mit dem Hadros den Hexenmeister im Hohen Turm zu Boden schleuderte, ehe dieser ihm den Angriff blutig vergalt. Gleich darauf wurde der Turm in flackernde Blitze gehüllt. Zinnen und Mauerstücke brachen unter der Wucht des Zaubers ein und begruben zahlreiche Kämpfer unter sich. Avartos griff instinktiv nach seinem Schwert, als sich die Schergen des Hexenmeisters aus den Nischen näherten. Ledrige Haut zog sich über halb zerfetzte Glieder, er wusste, dass es der Geist Askramars war, der seinen Hass in neue Krieger zwang. Sie stürzten sich auf die Engel und gruben ihre dolchartigen Zähne in deren Leiber. Sofort zogen sich schwarze Adern über ihre Haut, und als der goldene Glanz ihrer Augen erloschen war, verwandelten sie sich aufs Grauenhafteste und warfen sich auf ihre einstigen Gefährten, um sie zu zerfleischen.
    Viele Engel rissen sich das Herz heraus, ehe das Gift des Hexenmeisters sie bezwingen konnte, und Avartos konnte sich wie damals, als er erstmals davon in den Liedern gehört hatte, auch jetzt nicht gegen den Schauer wehren, der ihn überkam. Die entstellten Kreaturen gewannen die Oberhand, sie sogen das Blut der gefallenen Engel in sich auf und schändeten deren Leichen – doch weiterhin stand Kolkrinor ihnen entgegen. Avartos sah zu, wie er mit seiner Klinge durch die Reihen der Feinde schnitt, hörte ihre Leiber niederfallen, und noch immer zeigte das Gesicht des Engels keine Regung, nicht für einen Augenblick. Avartos griff sich an die Brust, ein seltsamer Schmerz durchdrang die Hingabe, die er bei diesem Anblick empfand, und für einen Moment lag er wieder in Bantoryn auf den Knien, gerettet vom Sohn des Teufels. Ja, diese Kälte war seit jeher die Macht des Weißen Kriegers gewesen, und Avartos kannte ihn. Er kannte ihn gut.
    Säuselnd kroch das Gift des Spiegels durch seine Gedanken. Er fuhr sich über die Augen, aber der strahlende Glanz der weißen Rüstung blendete ihn, und kurz flammte in seiner Blindheit ein Bild in ihm auf. Es war die Gestalt einer Frau, die mit dem Rücken zu ihm am geöffneten Fenster einer Burg stand. Sie trug ein helles, mit zarter Spitze versehenes Kleid, ihr blondes Haar fiel wie flüssiges Gold bis auf ihre

Weitere Kostenlose Bücher