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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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die ihn nur noch fahriger werden ließen.
    Wohin läufst du in der Dunkelheit, wenn jedes Licht erloschen ist? Wohin, wenn du dein Ziel nicht mehr weißt? Wenn du getrieben wirst von deiner eigenen Finsternis?
    Stolpernd bog er um eine Säule – und sah Noemi, nur durch eine gläserne Wand von ihm getrennt. Sie stand bewegungslos da, das Gesicht noch immer schmerzverzerrt, aber plötzlich begann sie zu grinsen, und ihre Lippen zogen sich von faulenden Zähnen zurück. Avartos zwang sich, nicht zurückzuweichen. Eine Dämonin stand vor ihm, die sich Noemis Aussehen gegeben hatte, daran bestand kein Zweifel. Sie neigte den Kopf, ihr Haar fiel ihr weit ins Gesicht, als sie näher kam. Er konnte die Krallen, in die ihre Füße sich verwandelt hatten, über den Boden kratzen hören, und als sie seinen Namen flüsterte, da war es, als würde sie ihm mit scharfen Klauen die Haut zerreißen. Kreischend zog sie ihre Nägel über das Glas direkt vor ihm, und gerade als sie das Maul aufsperrte und ihr Schrei die Wand mit Rissen überzog, glitt von hinten die Klinge eines Schwertes durch ihren Brustkorb. Sie stürzte, ihr Blut ergoss sich auf den Boden, und hinter ihr stand Nando, die Augen erschrocken aufgerissen.
    Sie war nicht echt , wollte Avartos sagen, doch schon richtete Nando seinen Blick auf ihn, und noch während Kaya sich als schuppiges Spinnentier in seinen Nacken grub, fiel er auf alle viere und sprang auf Avartos zu. Krachend zerschellte sein Leib an der halb gesplitterten Wand, er blieb liegen wie ein erschlagenes Tier, und ein anderes Wesen erhob sich aus dem zerschmetterten Leib. Hände gruben sich aus dem Fleisch, blutiges Haar schob sich aus den Eingeweiden, und Avartos schaute in ein Gesicht, das einem Engel der Menschen hätte gehören können, wenn es Augen gehabt hätte. In ihren Höhlen jedoch wälzten sich Schlangenleiber auf und nieder, und als das kleine Mädchen in seinem blutigen Kleid lächelte, verwandelte sich die gläserne Wand direkt vor ihm ebenfalls in einen Spiegel, in dem er sich selbst betrachtete.
    Avartos wich zurück, aber schon wandelte sich das Bild. Er sah Nando vor sich, Noemi und wieder sich selbst, und erst als die Bilder so schnell wechselten, dass ihm schwindelte, erkannte er eine fremde Frau und wusste, dass sie es war, die dieses Labyrinth errichtet hatte und nun ihre Besucher willkommen hieß. Kurz nur sah er sie an, die Frau, die ihm gegenüberstand, und auch wenn ihr Gesicht in wehende Schleier gehüllt war, spürte er ihren brennenden Blick auf seinem Leib. Sie war kaum mehr als ein Riss in seiner Wirklichkeit, und er wollte diesen Anblick nicht länger ertragen. Er hob die Hand mit dem Flammenwirbel, um das Bild zu vernichten. Kurz nur sah er Nando vor sich, irgendwo in diesem Labyrinth, und Noemi, die beide wie er die Hände für einen Zauber hoben, und er meinte, ihren Herzschlag durch den Boden dringen zu fühlen, stark genug, um ihn innehalten zu lassen. Was, so schoss es ihm durch den Kopf, wenn er nur den Spiegel traf – wenn der Zauber zurückgeworfen und ihn selbst treffen würde oder, viel schlimmer noch, wenn er die anderen auf diese Weise tötete? War es das, was dieser Albtraum bezweckte? Wollte er, dass sie sich gegenseitig erschlugen aus Furcht vor dem, was sie sahen und doch nicht ertragen konnten? Im letzten Moment riss er die Faust hinab und warf seinen Zauber zu Boden.
    Laut knisternd zogen sich Risse über die Spiegel, und kaum dass diese zerbrachen, fand Avartos sich in einem fensterlosen Raum aus geschliffenem Marmor wieder. Samtene Sessel und Diwane standen an den Wänden, Vorhänge aus roter Seide ergossen sich über hohen Säulen, und neben ihm kamen Nando und Noemi auf die Beine. Sie waren außer Atem, die Zeichen unter Noemis Haut erloschen nur langsam, und dort, nur wenige Schritte von ihnen entfernt, klaffte noch immer das Loch in der Wand. Die Dunkelheit dahinter begann zu flirren, und Avartos verstand, dass es kein Riss war, der dort lag, sondern ein Spiegel. Wispernd zerbrach er, und seine Scherben bildeten eine Gestalt nach, die Gestalt der Frau aus dem Labyrinth.
    Der Schleier glitt von ihr ab, und ihr langes, dunkles Haar fiel ihr bis auf die Füße. Sie hatte ein schmales Gesicht und schwarze, gebrochene Augen, die mehr als ein Wunder gesehen hatten, ehe sie vor langer Zeit erblindet waren. Avartos bemerkte die Narben der sechs Schwingen, die sie einst besessen hatte, sah auch die Augen an ihren nackten Armen, deren Lider sie mit feinen

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