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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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lag. Und wir beschützen sie. Ich würde alles tun für dieses Licht.
    Noemi sah ihn von der Seite an, ein seltsamer Glanz lag in ihren Augen, und auch sie lächelte, als sei jede Abwehr, jede Mauer zwischen der Welt des Lichts und ihr selbst gefallen.
    Schweigend sahen sie zu, wie Avartos eine magische Depesche aus grünem Licht in seiner Hand entfachte und sie hinaufschickte nach Nhor’ Kharadhin. Nando ließ den Glanz der Engelstadt über sein Gesicht tanzen, er fühlte noch einmal den Pulsschlag der Welt in jeder Faser seines Körpers, und für diesen Augenblick, da er kurz davorstand, sich mitten hineinzubegeben in das gefährliche Gold seiner Feinde, empfand er nur dies: Welche Schönheit lag in dem ewigen Spiel aus Licht und Schatten, welche Kraft entsprang ihrem Tanz – und welch ein Geschenk war es, ein Teil von beidem zu sein.

10
    Der Erzengel Michael schwebte zwischen Nhor’ Kharadhin und Rom wie die Gestalt aus einem Märchen. Anders als in der Menschenwelt schimmerte die Statue in kristallenem Weiß, das Gewand flatterte im Wind, und die Augen glühten in dunklem Gold, als könnte jederzeit das Feuer in ihnen erwachen. Das Schwert jedoch, das er hoch über seinen Kopf hielt, war nicht mehr als eine Illusion aus Licht, die auf die Schmach verwies, die das Volk der Engel durch die Vergiftung dieser Waffe erlitten hatte. Kein Zauber konnte das Schwert Michaels ersetzen, das vom Fürsten der Hölle verdorben worden war.
    Nando fühlte den Blick des Erzengels in brennender Kälte auf seinen Wangen, als er auf der obersten Ebene der Engelsburg landete. Die Wachen auf der Brücke hatten ihn passieren lassen, doch als er nun mit den anderen auf den Lichtstrom zutrat, der sie hinaufbringen würde nach Nhor’ Kharadhin, schlug ihm das Herz bis zum Hals. Noemi betrachtete den goldenen Strom, als würde sie damit rechnen, jeden Moment von ihm verbrannt zu werden, und Nando meinte, ein hektisches Poltern in seinem Geigenkasten fühlen zu können, als die ersten Lichtfunken sein Gesicht trafen. Kaum dass er in den Schein eintrat, verlor er den Boden unter den Füßen. Instinktiv wollte er die Schwingen ausbreiten, aber Avartos umfasste ihn mit seinem Blick.
    »Still«, raunte er, und die Kälte in seiner Stimme beschwor das weiße Licht des Oreymons in Nando herauf, das ihn ruhiger atmen ließ. Er unterdrückte den Drang, sich zu bewegen, und stellte fest, dass der Strom ihn wie Wasser umfing und aufwärtszog. In einiger Entfernung führten weitere Strahlen zur Stadt hinauf, wenngleich sich deutlich mehr Engel darin drängten. In ihrem eigenen Strahl, ein ganzes Stück weiter oben, konnte Nando lediglich zwei Offiziere der Garde ausmachen. Offensichtlich sicherte ihnen ihr hoher Rang auch eine privilegierte Nutzung der Ströme. Kurz wurde die Helligkeit gleißend. Dann erkannte Nando die Umrisse Nhor’ Kharadhins außerhalb des Stroms. Rasch folgte er Avartos aus dem Zauber und stand gleich darauf auf einem großen Platz mitten in der Stadt der Engel.
    Die Gebäude bestanden aus geschliffenem Glas. Wie ein gewaltiges in sich verschlungenes Kunstwerk waren sie aus einem Stück geformt. Farbige Schleier liefen durch ihre Mauern, dass es schien, als würden sie von Nordlichtern entflammt, und doch bildeten sie nur die traumgleiche Kulisse für die Wesen, die in dieser Stadt lebten. Hoheitsvoll bewegten die Engel sich durch die breiten Straßen, leichte Gewänder umflossen ihre Körper wie Seide, und ihre Stimmen klangen silbern und klar über die Kuppeln und Dächer. Eine atemlose Ehrfurcht fuhr in Nandos Glieder, als er die kühlen Gesichter der Engel betrachtete, und er schauderte, als er den Blicken der Kinder begegnete, deren Gestalt so wenig zu ihren Augen passen wollte, die reglos und undurchschaubar waren wie die von uralten Wesen. Nando erinnerte sich gut an die Hospitäler Katnans und die verwundeten Nephilim, und er hatte geglaubt, die Folgen des Dämonenangriffs auf Bantoryn auch im Volk der Engel bemerken zu können. Doch in dieser Stadt fand er keine Schwäche.
    Er spürte den Wind auf seinem Gesicht, ein merkwürdiger Wind war es, der gleichzeitig nach Wüste und Meer roch, und während er neben Avartos und Noemi durch die Stadt lief, spürte er den leisen Schmerz angesichts der Erkenntnis, dass er die wahre Schönheit dieser Stadt und ihrer Bewohner niemals begreifen würde. Er konnte ihre Kälte sehen, und er nahm die tiefe Düsternis wahr, die in all diesem Glanz lag – doch er begriff sie nicht.

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