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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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ausgebreitet, stand ein Baum aus Milchglas. Zarte Zweige fielen wie bei einer Weide von ihm hinab, sie glitzerten leicht, als hätte sich Raureif auf ihnen gesammelt. Ein düsterer Zauber lag über der Szene und bündelte sich in jener Gestalt, die schweigend vor dem Baum stand, reglos und mit dem Rücken zur Tür.
    Ihre Haut war so bleich, als würde sie aus dem Licht des Mondes bestehen. Das knöchellange Haar floss seidig über ihr perlenbesticktes Kleid, und die Zweige des Baumes umschmeichelten ihre erhobenen Hände, gewaltsam und sanft zugleich. Es lag so viel Anmut, so viel Verwunschenheit in diesem Bild, dass Nando erst nach einer Weile auffiel, dass er beobachtet wurde. Das Glitzern der Blätter wurde stärker, ein Lichtfunke sprang wie ein Lachen zwischen ihnen hin und her, und im selben Moment, in dem er begriff, dass die Blätter nichts als Spiegel waren, erkannte er in einem davon ein goldenes Augenpaar, das ihn direkt ansah. Das Gold darin war ebenso gesprungen wie die Decke über ihm, und er wurde sich bewusst, dass sie es war, die ihn anschaute – sie, die unnahbare Königin der Engel.
    »Königin Anlorya Marvenor Nhubys«, sagte Avartos und neigte den Kopf. »Gebieterin über die Winde Pharlaghons und die Feuer der Roten Steppe, Herrscherin über das Volk der Ewigen, empfangt meinen Gruß.«
    Nando verbeugte sich rasch und hörte, wie sie sich zu ihnen umdrehte.
    »Erhebt Euch«, sagte sie leise. Ihre Stimme ging dunkel und kraftvoll durch die kristallenen Blätter des Baumes.
    Als Nando sie ansah, bemerkte er die Dunkelheit unter ihrer bleichen Haut. Irrte er sich, oder lag Ergebenheit auf Avartos’ Zügen, als er nun ihren Blick erwiderte?
    »Du kommst spät«, sagte sie. Ihr Gesicht war schmal und makellos, und für einen Moment meinte Nando, etwas wie ein Lächeln durch die Glut ihrer Augen flackern zu sehen. Aber gleich darauf war es verschwunden. »Du entkamst den Schatten, die dich gefangen hielten.«
    Es war keine Frage, und doch schien es Nando, als würde die Königin ihren Blick prüfend über Avartos’ Gesicht gleiten lassen.
    »Ja, Eure Majestät«, erwiderte dieser. »Ich bin den Schergen des Höllenfürsten entkommen, doch der Kampf gegen die Schatten war nicht leicht, und ich werde nicht ruhen, ehe ich sie zurückgeschleudert habe in den tiefsten Schlund dieser Welt.«
    Die Königin nickte kaum merklich. »Ich hatte es vermutet. Ein Krieger wie du lässt sich nicht bezwingen von Nacht und Finsternis. Das ist der Geist der Garde. Die Satansbrut hat uns in der Schlacht um Bantoryn schwere Verluste zugefügt, doch bald schon werden wir uns davon erholt haben, und dann werden wir nicht nur die Dämonen der ersten Kreise aus ihren Löchern treiben.«
    Nando zwang sich, keine Regung zu zeigen, obwohl er wusste, dass sie von den Nephilim sprach – und von ihm, dem Teufelssohn, dem Feind aller Engel. Aber mehr noch als die Drohung ihrer Worte traf ihn die seltsame Starre ihres Blicks. Noemi zog unmerklich die Schultern an, und ihm ging es nicht anders: Die unheimliche Reglosigkeit der Königin war bedrohlicher als die Kälte ringsherum.
    »Ohne jeden Zweifel werden unsere Truppen schon bald in alter Stärke in die Schatten zurückkehren«, stimmte Avartos ihr zu. »Und dennoch ist die Lage ernster, als ich zunächst angenommen hatte. Der Weg durch die Brak’ Az’ghur war außergewöhnlich gefährlich, selbst für mich. Große Teile der Hölle wurden entfesselt, der Teufelssohn ist verschollen und neben all den niederen Schergen des Höllenfürsten haben sich jene auf die Jagd nach ihm begeben, die selbst mächtige Krieger unseres Volkes fürchten, ohne sich dafür zu schämen. Die Vier wurden gerufen, Majestät.«
    Für einen winzigen Moment verfinsterte sich der Blick der Königin. »Dann ist es also wahr«, erwiderte sie wie in Gedanken. »Ich hörte von den Gerüchten, doch dem Gerede der Schatten kann man nicht trauen. Es ist lange her, dass so mächtige Dämonen auf der Erde wandelten.«
    Avartos nickte. »Wären meine Truppen bereits zu alter Stärke zurückgekehrt, könnten wir ihnen entgegentreten. Doch die Zeit arbeitet gegen uns. Die Vier sind bereits auf der Jagd, und wir alle wissen, was geschehen wird, wenn sie den Sohn des Teufels vor uns finden.«
    Nandos Mund war staubtrocken. Es war seltsam, diesen Titel vor der Königin zu hören, aber er zeigte keine Regung, und ehe er sich über die Lippen fahren konnte, fuhr Avartos fort.
    »Wir müssen die Vier vernichten oder

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