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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gesa Schwartz
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auf Avartos’ Lippen sah.
    »Ist es wirklich notwendig«, sagte er, um sich von dieser Empfindung zu befreien, »der Königin gegenüberzutreten? Können wir nicht einfach deinen Vater besuchen und schnell wieder verschwinden?«
    Avartos’ Lächeln verlor sich. »Mein Vater ist einer der ranghöchsten Engel Nhor’ Kharadhins. Ich kann mich nicht erinnern, dass er jemals Besuch empfing, jedenfalls nicht in eurem Sinn. Ich werde ihm eine Depesche schicken, dann wird er uns vorladen, und vorher … nun, vorher müsst ihr in die Gesellschaft meines Volkes aufgenommen werden. Nur so können wir sichergehen, keinen Verdacht zu erregen. Und nur die Königin ist dazu befugt.«
    Nando wechselte mit Noemi einen Blick. Er hatte viel über die Königin der Engel gelesen, und abgesehen von ihrer Schönheit und ihrer Macht waren es vor allem ihre Taten in Kriegen und Schlachten, die ihm im Gedächtnis geblieben waren. Grausam war sie und so stark, dass sie ganze Wälder mit einem Fingerzeig verbrennen und Meere durch den Splitter eines Gedankens vergiften konnte. Sie war der Glanz und das Herz Nhor’ Kharadhins, kälter als der Atem des Winters.
    »Dann treibe deine Meisterschaft auf die Spitze«, sagte Noemi. »Ich habe keine Lust, vor dem Thron der Königin entlarvt zu werden.«
    Sie wich nicht zurück, als Avartos ihre Hand nahm. Leise sprach er den Zauber. Eine seidige Blässe zog über ihre Haut, die jedes Fluchzeichen darunter verbarg. Vorsichtig strich er über ihre Lider, und als sie die Augen öffnete, glommen sie in einem warmen, goldenen Licht. Leicht blinzelnd schaute sie zu Nando herüber. In ihrer abgerissenen Kleidung sah sie aus wie ein Engel in der Verkleidung eines Nephilim.
    »Luzifer war einer von uns«, sagte Avartos, als er auf Nando zutrat. Mit rascher Geste fuhr er ihm durchs Haar und band es im Nacken zu einem Zopf zusammen. »Und er ist es noch, zumindest dem Äußeren nach. Sein Dämonentum hat sich nie auf seinem Gesicht gezeigt, wenn er es nicht wollte, und sein Körper ist so makellos wie der einer griechischen Statue. Du bist ihm ähnlich – doch deine Augen verraten dich.« Kühl strichen die Finger des Engels auch über Nandos Lider. Ein warmes Licht flammte vor seinem Blick auf, dicht gefolgt von tiefster Dunkelheit, und er wollte schon die Augen öffnen, als ihn eine Erinnerung erfasste.
    Er stand in einem dunklen Raum auf steinernem Grund. Wenige Schritte von ihm entfernt lag etwas auf dem Boden und spendete ein diffuses Licht. Nando ging darauf zu und erkannte, dass es ein Spiegel war, ein großer Handspiegel mit verschnörkeltem Griff. Kaum dass er ihn aufgehoben hatte, strichen weiße Flammen über die Spiegelfläche, die gleich darauf sein Gesicht zeigte. Nando wollte sich gerade abwenden, als ein goldener Schimmer über die Haare seines Spiegelbildes zog. Er riss die Augen auf – doch die Augen seines Gegenübers blieben reglos. Nur ihre Farbe veränderte sich zu einem matten Gold, und als Nando erschrocken zurückwich, glitt ein Lächeln über das Gesicht seines Spiegelbildes, und ein Wort drang über seine Lippen, das durch Nandos Gedanken flüsterte: Teufelssohn!
    Nando fuhr zusammen, doch noch ehe er die Augen öffnete, ballte er die Fäuste. Ich entscheide, wer ich bin und werde , sagte er sich wie damals. Avartos half ihm, sich vor den Engeln zu verbergen. Er lieh ihm eine Maske – kein zweites Gesicht!
    Noemi schaute ihn mit großen Augen an, und wenn er Kayas Blick richtig deutete, fehlte ihm lediglich der abgetrennte Kopf eines Nephilim in der Hand, um furchterregender auszusehen. Offensichtlich ähnelte er einem eiskalten Rekruten der Garde aufs Haar.
    »Grausamkeit allein macht keinen Engel aus«, sagte Avartos. Seine Miene ließ nicht erahnen, ob er schon wieder Nandos Gedanken gelesen hatte. »Achte auf dein menschliches Gemüt. Reguliere deinen Herzschlag, wie ich es dir zeigte, und kultiviere die Maske der Engel. Sie verbirgt, was du denkst, und wenn du das Kinn hebst und ruhigen Schrittes über einen Platz der Goldenen Stadt gehst, wird niemand dich ansehen als einen Feind meines Volkes, sondern als den Engel, der in dir ruht.«
    Nando nickte. Etwas Sanftes hatte sich bei diesen Worten in Avartos’ Stimme geschlichen. War es möglich, dass der Engel in ihm sein jüngeres Selbst erkannte – in ihm, dem Teufelssohn? Da wandte Avartos sich ab und betrachtete die Geige. Routiniert legte er ein mattes Grau über das Instrument, das die Erhabenheit des seltenen Holzes

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