Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
folgende kurze Schweigen wurde von Jaryd gebrochen. »Der Mann, den ich in dieser Vision gesehen habe«, fragte er, »und die, die du gesehen hast - sind das die Fremden?«
»Ja.«
»Und du sagtest, ihre Taktik verrät auch ihre Schwächen, nicht wahr?«, fuhr Jaryd im gleichen drängenden Tonfall fort.
»Genau«, erwiderte Theron, und ein erfreutes Grinsen breitete sich über seine Züge aus.
Jaryd wandte sich Alayna zu. »Sie verkleiden sich als Magier, wenn sie die Dörfer angreifen, damit die Menschen dem Orden nicht mehr trauen«, erklärte er. »Das bedeutet also, dass sie nicht direkt gegen uns kämpfen können.«
»Haben sie magische Kräfte?«, fragte Alayna Theron. »Nicht von der Art, wie ihr sie kennt«, erwiderte der Eulenmeister geheimnisvoll.
Alayna runzelte nachdenklich die Stirn. »Ist das, worüber sie verfügen, so stark wie die Magie?«
Theron hielt inne und dachte über diese Frage nach. »Schwer zu sagen«, erklärte er schließlich. »In gewisser Weise ja und in anderer Hinsicht nicht.« Er lächelte, als die Furchen auf Alaynas Stirn tiefer wurden. »Aber dein Freund hat Recht: Sie können die Magie nicht direkt besiegen. Das sollte euch etwas verraten.«
»Geht es ihnen um die Vernichtung des Ordens, oder ist das nur ein Mittel zum Zweck?«, fragte Jaryd.
»Überschätze die Wichtigkeit des Ordens nicht«, riet der Meister kühl. »Der Orden ist nur ein Symbol und nichts weiter.«
»Dann versuchen sie, die Magie zu vernichten?« Theron schüttelte gereizt den Kopf. »Denk nach, Falkenmagier! Du solltest diese Frage eigentlich selbst beantworten können!«
»Wenn sie versuchten, die Magie zu vernichten, würde Sartol ihnen nicht helfen«, sagte Alayna überzeugt. »Sie müssen ihm die Herrschaft über Tobyn-Ser angeboten haben, damit er mit ihnen zusammenarbeitet. Und das bedeutet, sie können sich nicht der Magie als solcher entledigen, sondern bestenfalls versuchen, diejenigen zu beherrschen, die sich ihrer bedienen.«
Jaryd nickte und sah den Eulenmeister dann neugierig an.
»Kannst du bei diesen Visionen auch Dinge sehen, die außerhalb von Tobyn-Ser geschehen?«, fragte er. »Nicht so, wie du meinst«, erwiderte Theron. »Ich kann keine Ereignisse sehen wie in diesem Land, aber ich sehe vage Bilder - Schatten, wenn du willst -, die mir eine Vorstellung davon geben, wie es anderswo zugeht.« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe nie begriffen, wieso das so ist, wieso ich fähig sein sollte, auch nur das zu erblicken. Ich habe immer geglaubt, dass die Magie vom Land ausgeht, aber wenn das wirklich der Fall wäre, würde ich nichts weiter als Tobyn-Ser sehen können.« Er schwieg, in Gedanken versunken, den Blick der kalten, schimmernden Augen auf den Boden vor sich gerichtet. Dann hob er plötzlich den Kopf und fragte Jaryd: »Warum?«
Der Falkenmagier zuckte die Achseln. »Ich dachte, wenn du sehen könntest, was in anderen Ländern geschieht, könnte es uns vielleicht helfen herauszufinden, woher diese Leute kommen und was sie wollen.«
»Ihr werdet mit der Zeit schon andere Möglichkeiten finden, um mehr über diese Dinge zu erfahren«, versicherte Theron. »Ihr braucht nicht alles sofort zu wissen. Ihr wisst jetzt schon vieles, das euch helfen wird.«
Wieder kehrte Schweigen ein. Jaryd fielen einfach keine weiteren Fragen ein. Theron hatte Recht: Sie hatten schon sehr viel erfahren. Jetzt würde der nächste Schritt darin bestehen, den Eulenmeister davon zu überzeugen, sich ihrer Sache anzuschließen. Aber Jaryd wusste nicht so recht, wie er diese Aufgabe angehen sollte. Theron hatte von Anfang an deutlich gemacht, dass er sich nicht zwingen oder überreden lassen würde, dem Orden direkt zu helfen, und Jaryd traute sich kaum zu, diesen Entschluss ins Wanken zu bringen. Aber was wichtiger war: Er begriff, dass er es eigentlich gar nicht versuchen wollte. Er erinnerte sich an den Kummer, den er in der Nacht zuvor ganz kurz im Blick des Eulenmeisters bemerkt hatte, und er wusste, dass er Theron keinen überzeugenden Grund liefern konnte, wieso er ihnen helfen sollte. Der unbehauste Eulenmeister schuldete Tobyn-Ser nichts, was nicht durch tausend Jahre des Ausgestoßenseins bereits ausgeglichen war. Es genügte, dass die Geschichte ihn auf seine schlechten Seiten reduziert und alles Gute vergessen hatte, was er zuvor geleistet hatte. Es genügte, dass er durch seinen eigenen Fluch zu einer Ewigkeit des Umhergeisterns verdammt war. Jaryd wandte sich Alayna zu, die ihn bereits
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