Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
hilflos - sein Handgelenk sah schrecklich aus: schwarz verbrannt und blutend, und dort, wo seine Hand hätte sein müssen, gab es nur noch einen zersplitterten weißen Knochen. Calbyr konnte zwar nichts wegen der anderen Männer tun, die die Magier vielleicht später erwischen würden, aber er konnte diesen Mann davon abhalten, etwas verraten zu müssen. Wahrscheinlich hätte Auley auch selbst getan, was getan werden musste. Aber Männern, die in Gefangenschaft gerieten, passierten seltsame Dinge: Ihr Verhalten änderte sich, wurde unberechenbar. Und Calbyr konnte kein Risiko eingehen. Er und Auley starrten einander einen Augenblick an, und dann nickte der Verwundete. Ein guter Mann, dachte Calbyr abermals, als er den Knopf an seinem Werfer drückte und sah, wie die roten Flammen sich in Auleys Brust fraßen.
Dann drehte Calbyr sich um und rannte aus der Senke heraus, pfiff laut nach seinem Vogel und konnte gerade noch einer grauen Flamme ausweichen, die von einem der Magier kam. Abermals angewiesen auf das Licht des Mondes und das des Steins oben auf seiner Waffe, folgte er einem schmalen, beinahe zugewucherten Pfad tiefer in den Wald hinein und fühlte sich unerwartet erleichtert, als er seinen Vogel neben sich sah. Er hoffte, dass der Tod des Eulenmeisters die anderen so verwirren würde, dass es ihm eine Chance zur Flucht gab. Er und seine Männer hatten keine Absprachen für ein Treffen in einem solchen Fall. Um ehrlich zu sein, hatte er nie geglaubt, dass sie einmal alle auf diese Weise zusammengebracht werden könnten; er hatte die Truppe aufgeteilt, um genau diese Art Debakel zu vermeiden. Er erwartete allerdings, dass die anderen, falls sie nicht erwischt würden, zur Lon-Tobyn-Landenge zurückkehren würden, die sie zu Fuß überquert hatten, als sie vor über einem Jahr nach Tobyn-Ser gekommen waren. Dorthin wollte er ebenfalls gehen. Und von dort aus zurück nach Lon-Ser und zum Nal.
Vorausgesetzt, dass Cedrych ihm neue Vögel zur Verfügung stellte, würde er innerhalb von zwei Jahren eine neue Truppe ausbilden können, vielleicht sogar schon eher. Das würde genügen, damit die Magier sich inzwischen einreden konnten, die Angriffe seien vorüber, aber natürlich würde sich die Bevölkerung noch lange genug daran erinnern. Wenn er rasch handelte, würde er kaum etwas von der Wirkung verlieren, die sie den Sommer über aufgebaut hatten. Immer vorausgesetzt, dass Cedrych sie weiterhin unterstützte.
Bei diesem Gedanken zuckte Calbyr innerlich ein wenig zusammen. Er hätte diesen Vorfall kaum vermeiden können. Er war immer noch nicht sicher, wie die Magier ihn überhaupt an diesen Ort gebracht hatten - wo immer »dieser Ort« sein mochte -, aber er war einigermaßen überzeugt, dass der Geist zumindest zum Teil dafür verantwortlich war. Cedrych konnte ihm so etwas doch sicher nicht übel nehmen? Wie sollte er gegen einen Geist ankommen? Niemand in Lon-Ser glaubte auch nur, dass es Geister gab. Zumindest niemand im Nal. Dennoch, er wusste, dass Cedrych über diese Sache nicht glücklich sein würde. Genau so, wie Cedrych Calbyrs Oberherr war, nahm Cedrych seine Befehle vom Herrscher entgegen. Und der hatten für Versager nicht viel übrig. Cedrych würde vielleicht Verständnis haben. Aber vielleicht würde er Calbyr auch einfach töten und einen anderen finden, der sich in Zukunft um Tobyn-Ser kümmerte. Calbyr schluckte. Es sah so aus, als müsste er dieses Risiko einfach eingehen. Er hatte zweifellos keine Zukunft in diesem Land, und alle in Lon-Ser, die jemanden mit seinen ... Talenten brauchten, würden ihn als Cedrychs Mann erkennen: Er hatte sich in der Vergangenheit mit seinen Leistungen in gewisser Weise einen Namen gemacht. Ein Geräusch hinter ihm ließ ihn innehalten. Schritte. Eine einzelne Person. Calbyr grinste ins Dunkel. Fünf Magier und ein Geist waren eine Sache. Aber gegen einen Einzelnen konnte er ankommen. »Töte den Vogel, und der Magier gehört dir«, hatte Sartol gesagt. Kein Problem, sollte man annehmen. Als Calbyr einen Blick zurückwarf, konnte er bereits das Licht des Magiers sehen, das sich rasch näherte.
Leise schlüpfte er ins dichte Unterholz und bereitete seinen Hinterhalt vor.
Das Bild hatte sich trotz der Tränen, die ihn alles nur verschwommen erkennen ließen, in Jaryds Hirn eingebrannt. Es würde ihn noch jahrelang begleiten, vielleicht für den Rest seines Lebens. Die Hälfte von Nialls Hals und der größte Teil seines Unterkiefers waren einfach weggefegt
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