Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
Badens Tonfall lag keine Anklage. »Ja«, erwiderte er schlicht. »Mit letzter Kraft. Er hat mein Feuer ohne große Schwierigkeiten pariert, und er hätte mich mit seiner Macht beinahe überwältigt. Er ist erstaunlich stark, Baden. Ich wusste nicht, dass ein Magier so stark sein kann.« »Dasselbe hat er über dich gesagt.«
»Was sagte er noch?«
Baden hielt inne, aber nur kurz. »Er hat uns im Grunde die gleiche Geschichte erzählt wie du gerade, nur dass in seiner Version du es warst, der Jaryd und Alayna in den Hain gejagt hat. Er behauptete, es sei ihm gelungen, dich aufzuhalten, aber du wärest viel stärker, als er sich je hätte vorstellen können. Du hättest ihn beinahe getötet, bevor er fliehen konnte. Und er hatte eine Schnittwunde über dem Auge und eine Brandwunde am Knie, wie zum Beweis.« »Die Wunde über dem Auge hat Pordath verursacht«, erklärte Orris, »aber ich habe keine Ahnung, wer oder was ihn am Bein verwundet hat. Ich war es jedenfalls nicht. Vielleicht hat er sich die Wunde selbst zugefügt.« »Das mag sein. Sie kam mir an diesem Abend sehr überzeugend vor. Allerdings«, fügte Baden mit einem Blick auf Orris' Schulter und Seite hinzu, »sahen seine Wunden auch nicht beeindruckender aus als deine. Warum hast du dich nicht -« Der Eulenmeister hielt inne und verzog plötzlich gequält das Gesicht. »Es tut mir wirklich Leid. Ich hätte es längst bemerken müssen.« Er zögerte. »Hat Sartol sie getötet?«
»Seine Eule«, erwiderte Orris mit einiger Schwierigkeit. Plötzlich fühlte er sich vollkommen verwundbar, als hätte man ihm allen Schutz genommen. Er konnte Baden nicht mehr ansehen.
»Wenn Anla zu mir zurückkehrt, wirst du mir dann erlauben, deine Brandwunden zu heilen?«, fragte Baden voller Mitgefühl.
»Vielleicht«, brummte Orris barsch. »Sie heilen auch von alleine. Und es gibt wichtigere Dinge, um die wir uns kümmern müssen.«
Baden setzte zum Widerspruch an, aber dann ließ er das Thema fallen. »Also gut. Ich glaube, du wolltest mich etwas fragen.«
»Ja«, bestätigte Orris. »Ich habe gesehen, wie ihr beiden, du und Trahn, mit Sartol gesprochen habt, nachdem ich mit ihm gekämpft hatte, und es sah für mich so aus, als stecktet ihr alle drei unter einer Decke. Dann habt ihr euch die Mühe gemacht, Scheiterhaufen für die Weise und den Ersten zu errichten, und habt Trahn am Hain zurückgelassen -« »Und du hast daraus geschlossen, dass Sartol und ich zusammenarbeiteten und die Beisetzung nur veranstaltet haben, um Trahn weiterhin zu täuschen?«
»Etwas in dieser Richtung, ja. Ich nahm an, ihr beiden wärt auf dem Weg nach Norden, um die Herrschaft über den Orden zu übernehmen. Sartol wäre sicher zum Eulenweisen gewählt worden.«
»Das weiß ich«, erklärte Baden. »Er hat angeboten, mich zu seinem Ersten zu machen, was deinen Verdacht zweifellos bestätigt hätte.«
»Hast du angenommen?«
»Ich habe ihm keine Antwort gegeben.«
»Mit dir als seinem Ersten hätte Sartol von mir kaum etwas zu befürchten gehabt«, stellte der Falkenmagier fest. »Du verfügst bei allen Fraktionen des Ordens über Glaubwürdigkeit; wenn du angenommen hättest, hättest du Sartol damit gegen alle Anklagen wegen Verrats oder sogar wegen Mordes abgesichert.«
»Glaubst du, er hat mir die Position deshalb angeboten?« »Sehr wahrscheinlich. Nicht, dass du nicht einen guten Ersten abgeben würdest«, gab Orris trocken zu.
Baden zog eine Grimasse. »Das ist kaum eine Stellung, auf die ich aus bin.«
»Entweder Weiser oder gar nichts, wie?«
Baden lachte. »Ich versichere dir, ich bin mit meinem derzeitigen Leben sehr zufrieden. Ich habe kein Interesse an Macht.«
»Das könnte ein weiterer Grund sein, wieso Sartol dich als Ersten haben wollte. Ein ehrgeizigerer Magier könnte ihm gefährlich werden.«
»Das ist möglich«, sagte Baden. »Aber ich denke, Sartol hat noch mehr vor, als nur den Orden zu beherrschen.«
»Wie meinst du das?«
Der Eulenmeister zögerte, was Orris ein Lächeln entlockte. »Ah ja«, sagte der Falkenmagier wissend, »wir trauen einander immer noch nicht. Das verkompliziert die Angelegenheit ein wenig.«
Beide schwiegen, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Schließlich ergriff Baden wieder das Wort. »Diese festgefahrene Situation kann nur verändert werden, indem einer von uns nachgibt. Ich wurde in den letzten Stunden Sartol gegenüber immer misstrauischer, und dann hat er etwas getan, was ich sehr verstörend fand.«
»Du
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