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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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und versuchte sie zu trösten, aber Cailin hörte sie kaum. Sie war wieder in Kaera und erlebte noch einmal diesen letzten, schrecklichen Abend. Aber nun sah sie sich selbst wie in ihrem Traum, wie sie magisches Feuer auf die Fremden schleuderte. Sie konnte es einfach nicht ertragen.
    »Lass mich in Ruhe«, sagte sie zwischen Schluchzern mit vor Kummer beinahe erstickter Stimme. »Ich will einfach nur allein sein.«
    Zira blieb noch einen Augenblick, aber dann tat sie, worum Cailin sie gebeten hatte. Sie stand auf und ging. Als Cailin hörte, wie die Tür geschlossen wurde, legte sie sich wieder hin und weinte, bis sie schließlich in einen unruhigen Schlaf fiel.
    Sie erwachte vom Klang der Glocke, die im Hof des Tempels zum Abendessen rief. Der letzte Rest des Tageslichts fiel durchs Fenster herein und verlieh dem kleinen Zimmer eine geisterhaft silbrige Beleuchtung. Cailin setzte sich auf und gähnte, dann ging sie über den kalten Steinboden zu dem Waschbecken, das in einer Ecke stand. Sie spritzte sich Wasser ins Gesicht, schauderte ein wenig von der Kälte und trocknete sich mit einem Tuch ab.
    Sie holte tief Luft und erkannte, dass es ihr besser ging. Und dass sie eine Entscheidung getroffen hatte. Sie würde am nächsten Tag zur Lichtung zurückkehren. Wenn sie irgendetwas von den Kindern Aricks gelernt hatte, dann dass sie sich nicht vor der Zukunft verbergen konnte, für die die Götter sie ausersehen hatten, ganz gleich, wohin diese Zukunft sie führen würde. Aber wenn sie sie auch nicht vermeiden konnte, würde sie doch in der Lage sein, daraus zu machen, was sie wollte. Das schien alles zu sein, was ihr übrig blieb. Also würde sie sich an den Falken binden, wie Amarid es getan hatte. Sie würde Magier werden, aber zu ihren eigenen Bedingungen. Sie würde sich niemals dem Orden anschließen oder einen Umhang tragen oder auch nur den Schwur ablegen, sich an Amarids Gesetze zu halten.
    Sie blieb für den Rest des Abends in ihrem Zimmer. Irrian brachte ihr etwas zu essen, aber Cailin hatte keinen Hunger. Sie schlief früh ein und stand im Morgengrauen auf, schlüpfte unbemerkt aus dem Tempel und kehrte zur Lichtung zurück, wo noch der Tau auf dem hohen Gras und dem frisch gefallenen Laub lag.
    Wie erwartet fand sie der Falke beinahe sofort. Er flog von der anderen Seite der kleinen Wiese auf sie zu, glitt dicht über den Boden und landete auf einem Baumstumpf ganz in ihrer Nähe.
    Cailins Herz schlug ihr bis zum Hals, aber sie wandte einige Zeit bewusst den Blick ab und versuchte, sich auf das vorzubereiten, was geschehen würde, wenn sie dem Falken direkt in die Augen sah. Nun, als sie dem Vogel wieder gegenüberstand, begann sie an ihrer Entscheidung zu zweifeln. Die Magier hatten zugelassen, dass Kaera niedergebrannt wurde. Die Magier hatten zugelassen, dass ihre Eltern umgebracht wurden. Und irgendwie erwarteten die Götter trotzdem, dass sie eine von ihnen wurde. Die gesamte Erfahrung ihres Lebens riet ihr zu fliehen, solange noch Gelegenheit dazu bestand. Und dennoch, allein die Anwesenheit des Falken ließ sie bleiben. Schließlich holte sie tief Luft und sah den Vogel an.
    Trotz aller Vorbereitung ging sie beinahe wieder in dem Tumult von Erinnerungen und Emotionen unter, den das Geschöpf in ihren Geist ergoss. Sofort flog sie wieder, jagte, segelte, kämpfte. Sie fühlte sich, als würde ihr Geist angegriffen, obwohl sie keine Böswilligkeit von dem Vogel spürte, und sie versuchte verzweifelt, sich an ihren eigenen Gedanken und ihrer Identität festzuklammern. Aber während der Wirbelwind aus Bildern abermals durch ihr Hirn fegte, begann sie, sich an einige davon zu erinnern. Es gab eine Art Muster. Der Vogel übermittelte ihr etwas - etwas Bestimmtes.
    Wie auf ein Stichwort begann der Falke, ihr andere Bilder zu schicken. Und die erkannte Cailin sofort. Sie sah Irrian und Zira. Sie sah die anderen Kinder, die im Tempel wohnten. Sie sah die Große Halle in Amarid. Sie sah Tobyns Ebene und die Läden und Bauernhöfe von Kaera. Und endlich, mit solch quälender Klarheit, dass sie zu weinen begann, sah sie ihr Zuhause und ihre Eltern. Das da war ihr eigenes Leben, es waren Bilder aus ihrem eigenen Kopf, die ihr der Vogel anbot, so, wie er - und gleichzeitig verstand sie, dass es ein »er« war -, so, wie Marcran ihr eine Vorstellung seines Lebens gezeigt hatte. Wieder kamen die Bilder. Fliegen, jagen, segeln, kämpfen. Und nun begriff sie.
    Nach und nach wurde der Fluss der Bilder träger, und

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