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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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schon vor Minuten gegangen. Sie war weg, das wusste er. Er hatte keinen Laut gehört.
    Du hättest es wirklich wissen sollen, hätte Cedrych ihr gerne gesagt, als er aus dem Fenster auf das Nal hinausschaute, das ins goldene Morgenlicht getaucht war. Du hättest wissen sollen, dass ich dich beobachte, dass ich sehe, wie du dich davonstiehlst, dass ich dich verfolgen lasse und zuschaue, wie du ins Ausbildungszentrum zurückschleichst, noch bevor es hell wird. Du hättest es wissen sollen. Er wollte sie wegen ihrer Dummheit und ihres Leichtsinns anschreien. Sie stand kurz vor dem Beginn einer Mission, die Geduld und Präzision erforderte, und nun trieb sie sich im Nal herum wie ein ungezogenes Kind. Er wollte ihr wehtun, sie bestrafen. Er wollte sie schlagen, bis sie blutete, er wollte ihr eine Lektion erteilen, die sie so schnell nicht wieder vergessen würde. Er wollte so vieles tun. Arick allein wusste, wie liebend gerne er sich in ihr bewegen wollte! Aber mehr als alles andere wollte er wissen, was sie vorhatte. Cedrych hatte schon erwartet, dass Melyor so etwas versuchen würde, bevor sie nach Tobyn-Ser ging. Alles, was der Oberlord über sie wusste, hatte ihn das annehmen lassen. Ja, sie war ein bisschen leichtsinnig, aber das war ein Nebeneffekt ihres Mutes und ihrer Findigkeit. Cedrych hätte es Melyor gegenüber zwar niemals zugegeben, aber sie hatte Recht gehabt, als sie sagte, Savil sei nicht die richtige Wahl für den Auftrag gewesen. Er war zu vorhersehbar. Bei Melyor hatte Cedrych erst gelernt, ihre Aktionen vorauszuahnen, nachdem er sie lange Zeit sorgfältig beobachtet hatte; Savil hatte er schon fünf Minuten nach ihrer ersten Begegnung im Wesentlichen durchschaut.
    Er hatte gewusst, dass Melyor versuchen würde, das Ausbildungszentrum zu verlassen, weil er sie praktisch dazu herausgefordert hatte. Er hatte sich ausführlich über die Wirksamkeit seiner Sicherheitsmaßnahmen ausgelassen und darüber, wie wichtig es war, dass sie während der gesamten Ausbildung dort bliebe. Eine Frau wie Melyor musste das einfach als Herausforderung betrachten. In gewisser Weise war ihr gar nichts anderes übrig geblieben, als sich davonzustehlen. Und man musste es ihr lassen: Sie hatte es auf recht beeindruckende Weise getan.
    Aber das änderte nichts daran, dass sie sich ihm widersetzt hatte. Cedrych hatte für Ungehorsam nichts übrig. Als junger Mann, als er noch versuchte, sich als Nal-Lord einen Namen zu machen, hatte er seine Untergebenen schon getötet, wenn sie auch nur leicht von seinen Anweisungen abwichen. Und selbst nachdem er Oberlord geworden war, hatte er auf jeden Hauch von Trotz bei seinen Untergebenen rasch und mit außerordentlicher Härte reagiert. Calbyr, der vor dieser misslichen Aktion in Tobyn-Ser Cedrychs bevorzugter Nal-Lord gewesen war, hatte sich einmal mit ihm über eine Angelegenheit gestritten, die so unwichtig gewesen war, dass sich Cedrych nicht einmal mehr daran erinnern konnte, um was es gegangen war. Und als Ergebnis hatte der Nal-Lord eine Narbe davongetragen, die von seiner linken Schläfe bis zum Mundwinkel reichte und ihn für den Rest seines Lebens gezeichnet hatte.
    Im Lauf der Jahre hatte Cedrych gelernt, sich besser zu beherrschen; es war möglich, dass Melyor nie erfahren würde, wie zornig er in diesem Augenblick war. Und wenn er in ihrer Position gewesen wäre - monatelang eingeschlossen in diesem Zentrum, angesichts einer langwierigen Mission in einem fremden Land mit unbekannten Gefahren -, hätte er wohl auch versucht, sich davonzumachen. Nur für eine Nacht, für ein paar Gläser in einer Bar oder eine Uestra oder einfach nur für den Geschmack der Freiheit im Nal.
    Was ihn beunruhigte, war, dass Melyor nichts davon getan hatte. Der Mann, der ihr gefolgt war - ein Mann, dem Cedrych vertraute -, berichtete, sie sei zur Wohnung ihres Leibwächters gegangen und dort nur ein paar Minuten geblieben. Nicht lange genug, um sich zu betrinken, sicherlich nicht lange genug für eine befriedigende sexuelle Begegnung, aber zweifellos lange genug, um einen Befehl zu übermitteln oder Informationen weiterzugeben oder zu erhalten.
    Der Oberlord war nicht sicher, was er damit anfangen sollte. Er gestattete sich selten, überrascht zu sein; Überraschungen konnten, wie er dank des Attentatsversuchs vor ein paar Jahren gelernt hatte, tödlich sein. Und dennoch hatte Melyor ihn in dieser Nacht, trotz aller Vorbereitungen und all der Dinge, die er im Lauf der Jahre über sie gelernt

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