Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
hatte, überrascht.
Er verzog unwillig das Gesicht. In Bragor-Nal geschah wenig, ohne dass er es erfuhr. Was immer Melyor vorhatte, er würde es erfahren. Sie hatte ihn einmal überraschen können, aber das würde nicht wieder geschehen.
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W ährend man sich die Größe der Nals von Lon-Ser ' ' kaum vorstellen kann, ist der Bauplan einer solch riesigen Stadt laut Baram recht einfach. Alle Nals sind wie riesige Honigwaben und in Einheiten aufgeteilt, die man als »Blocks« bezeichnet. Jeder Block besteht aus einem Platz in der Mitte, umgeben von unglaublich hohen Gebäuden, in denen sich Wohnungen und Läden befinden und die durch breite Straßen, die von allen vier Ecken des Platzes ausgehen, mit den anderen Blocks verbunden sind. Kleinere Straßen und Gassen führen zwischen den Gebäuden hindurch und bilden ein Netz, das in jedem Block gleich aussieht. Wegen der genauen Symmetrie dieser Einheiten wird der Begriff »Block« auch als Maßeinheit verwendet. Ich habe zwar die genaue Länge eines solchen Blocks nicht ermitteln können, aber nach dem, was Baram beschrieben hat, dürfte sie etwa einer unserer Meilen entsprechen. Basierend auf dieser Einschätzung habe ich mit Hilfe des Fremden berechnen können, dass Bragor-Nal allein schon mindestens zweihunderttausend Quadratmeilen umfasst.
Aus Kapitel Fünf des »Berichts von Eulenmeister Baden über seine Verhöre des Ausländers Baram«, vorgelegt auf der 1014. Versammlung des Ordens der Magier und Meister, im Frühjahr des Gottesjahres 4625.
Die Winter im Dschungel der Lon-Tobyn-Landenge waren überwiegend mild, aber feucht. Mit Aricks Meer im Norden und dem wärmeren Wasser des Südmeeres im Süden wurde die Landenge in den kälteren Monaten von heftigen Unwettern heimgesucht. Die mächtigen warmen Stürme, die von der See über die Landenge hereinbrachen, brachten zwar Sturzbäche von Regen zu dem kleinen Streifen dicht bewaldeten Landes, sorgten aber auch dafür, dass die Luft warm blieb.
Dies war es zumindest, was Orris in der Vergangenheit von Kaufleuten aus Abborij und von Kapitänen gehört hatte. Aber in diesem Jahr hatte der Nordwind, der schon der Südseite der Seeberge so frühen Schnee gebracht hatte, den Winter sogar bis in den Dschungel getragen. Baram und der Falkenmagier stießen auf keinen Schnee mehr, nachdem sie die Landbrücke betreten hatten, die Tobyn-Ser und Lon-Ser miteinander verband, aber der Regen, der sich beinahe jeden Tag über sie ergoss, war kalt und stechend, und der eisige Wind schnitt durch ihre Kleidung wie Dolche. Mehrere Tage lang blieb der Himmel bedeckt und grau, bis Orris sich kaum mehr erinnern konnte, wie es war, blauen Himmel durch die Lücken im Blätterdach zu erspähen oder die Wärme der Sonne auf Gesicht und Rücken zu spüren. An den wenigen klaren Tagen blies der Wind immer noch heftig, zerrte Wolkenfetzen über sie hinweg und trieb mit beunruhigender Geschwindigkeit den nächsten Sturm auf die Landenge zu.
Der dichte Bewuchs aus riesigen, seltsamen Pflanzen bot ein gewisses Maß an Schutz vor dem Wetter, aber längst nicht genug. Das Gleiche ließ sich auch von Orris' Umhang und Barams Wolljacke sagen: Sie lieferten den Reisenden ein wenig Wärme - ohne diese Kleidungsstücke hätten sie wahrscheinlich nicht überlebt -, aber beide Männer froren beinahe die gesamte Zeit. Orris hatte manchmal das Gefühl, dass ihre Kleidung, ihr Haar und das Essen wohl nie wieder trocken werden würden, und sobald sie abends ihr Lager aufschlugen, entzündete er sofort ein Feuer und drängte seinen Begleiter, sich dicht an die Flammen zu setzen. Er wusste, er würde Baram heilen können, wenn der Mann Fieber bekam, aber was, wenn er selbst krank wurde oder am Ende Anizir etwas zustieß? Das konnte sie beide das Leben kosten.
Der einzige Vorteil des schlechten Wetters bestand darin, dass sie den gefährlicheren Bewohnern dieses Dschungels nicht begegneten. Die Geschichten, die Orris von den Insektenschwärmen der Landenge gehört hatte, ließen alles, was er im Südsumpf erlebt hatte, als sie dort mit der Delegation zu Therons Hain unterwegs gewesen waren, im Vergleich harmlos wirken. Und der Dschungel war berüchtigt für die zahllosen Arten von Giftschlangen, die hier lebten. Aber dank der Kälte begegneten Baram und Orris relativ wenigen davon. Einmal, zu Beginn des Winters, war Baram hingefallen und hatte sich dabei an den Dornen einer giftigen Pflanze verletzt. Aber nachdem Orris vorsichtig die mit
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