Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
bezüglich des Projekts fuhren, an dem ich gerade arbeite.« Sie hielt inne, und einen Moment lag so etwas wie Unsicherheit in ihrem Blick. Aber nicht für lange. »Dieser Mann muss sterben, Jibb. Es muss schnell und lautlos geschehen. Keine Spuren, kein Durcheinander. Verstanden?«
»Ja.«
»Er hat einen Bart und blondes Haar. Groß und kräftig. Er trägt einen grünen Umhang und hat einen großen, dunkel gefiederten Falken dabei.«
»Das muss ein verdammt guter Spion gewesen sein«, sagte Jibb.
Sie errötete leicht und hob warnend den Finger. »Ich habe doch gesagt, keine Fragen.« Sie wandte kurz den Blick ab, dann sah sie Jibb weder an. »Tut mir Leid, Jibb, mehr kann ich dir nicht verraten.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Nal-... Melyor.« Er warf einen Blick auf die Uhr neben seinem Sprechschirm. Es war mitten in der Nacht. »Ich werde gleich morgen früh meine besten Männer beauftragen. Genügt das?«
Melyor nickte, den Hauch eines Lächelns auf den Lippen. »Selbstverständlich. Ich bin sicher, dass ich dir das nicht sagen muss, aber diese Falkenmagie ist nicht zu unterschätzen. Pass auf dich auf.« »Das werde ich. Keine Sorge, ich kümmere mich um die Sache.«
»Ich weiß. Danke, Jibb.« Es sah einen Augenblick lang so aus, als wollte sie mehr sagen, aber dann wandte sie sich wieder ab. »Ich sollte gehen, bevor mich jemand vermisst.« »Wohin gehen? Was treibst du überhaupt?«
Sie lächelte, obwohl der Ausdruck in ihren Augen eher traurig war. »Das kann ich dir auch nicht verraten. Es tut mir Leid. Ich möchte es gerne, aber ...« Sie verstummte. Jibb winkte ab. »Ich hätte nicht fragen sollen. Gibt es irgendetwas, was ich tun kann, damit du schneller dorthin zurückkehren kannst? Brauchst du einen Transporter oder einen Fahrer?«
»Nein«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich komme allein besser zurecht.« Sie stand auf und ging zu der offenen Tür, die zum Rest seiner Wohnung führte. Auf der Schwelle blieb sie noch einmal stehen. »Du bist ein guter Freund, Jibb«, sagte sie, ohne sich umzudrehen. »Glaub nicht, dass mir das entgangen ist.«
»Schon gut«, erwiderte er. »Pass auf dich auf, Melyor. Und mach dir wegen dieser Sache keine Sorgen mehr, ich kümmere mich darum.«
Sie nickte, und dann ging sie.
Jibb schaltete das Licht aus und legte sich wieder hin. Er wartete darauf zu hören, wie die Tür zu seiner Wohnung geöffnet und dann wieder geschlossen wurde.
Ein Zauberer ist unterwegs zum Nal, dachte er. Er hatte Geschichten über die Falkenmagie gehört, seit er ein kleiner Junge gewesen war, und seit einiger Zeit gab es Gerüchte über eine Initiative, Tobyn-Ser zu erobern. Aber er hatte diesen Gerüchten nicht viel Glauben geschenkt, jedenfalls bis jetzt nicht. Im Licht dessen, was Melyor darüber gesagt hatte, dass der Fremde ihr derzeitiges Projekt gefährdete, gab es allerdings nicht mehr viele Zweifel daran, um was es dabei ging. Kein Wunder, dass sie den Vierten aufgegeben hatte. Wenn sie Erfolg haben sollte, würde sie die Erste in der Nachfolgereihe sein, wenn Cedrych Herrscher würde, was sicher irgendwann der Fall wäre. Und wenn die Anwesenheit des Zauberers in Bragor-Nal die Initiative gefährdete, dann hatte Melyor Recht: Der Mann musste sterben. Jibb hatte nie geglaubt, dass er eines Tages einen Zauberer sehen würde, und ganz sicher hatte er nicht erwartet, einen töten zu müssen. Aber was er zu Melyor gesagt hatte, stimmte: Er würde alles tun, worum sie ihn bat. Dass sie schön und er halb verliebt in sie war, zählte dabei kaum. Sie war der beste Lord in Bragor-Nal. Selbst vor dieser Nacht hatte Jibb erwartet, dass sie irgendwann einmal Oberlord werden würde. Und wenn sie wirklich Tobyn-Ser erobern konnte, dann würde sie vielleicht sogar eines Tages Herrscherin sein. Was immer sie erreichte, Jibb hatte vor, ihr zur Seite zu stehen. Er hatte seine Zukunft schon vor langer Zeit fest an die ihre gebunden, und er hatte es nie bereut. Sie hätten ihn bitten können, Cedrych selbst zu töten, und er hätte es getan. Obwohl er für den Oberlord sieben oder acht weitere Männer rekrutiert hätte. Für den Zauberer würde er nicht mehr als zwei brauchen. Darel und Chev waren wohl die beste Wahl. Sie waren schlau und diskret, und sie waren mit ihren Werfern so tödlich wie alle seine Männer. Ja, sie wären sehr geeignet. Jibb grinste im Dunkeln. »Ich werde einen Zauberer töten«, sagte er laut.
Er gab es auf, in Richtung Tür zu lauschen; Melyor war
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